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Gemeinsame Erklärung von Kirchen und Diakonie

Kollaps des Betreuungssystems verhindern!

MedienINFO 32/2023

Reduzierte Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen: Die Evangelischen Landeskirchen und die Diakonie RWL warnen vor deutlichen Einschnitten bei Kitas und Offenen Ganztagsschulen (OGS). Zeitnahe Hilfen von Land und Kommunen für die Kitas und ein Rettungsschirm für die OGS sind jetzt nötig, um einen Kollaps des Betreuungssystems zu verhindern.

„Im Kita-Bereich kommen gleich mehrere Faktoren ungünstig zusammen: Laut Kinderbildungsgesetz KiBiz NRW setzt sich die finanzielle Förderung der Kitas aus Geld von Land, Kommunen, Kita-Trägern und Elternbeiträgen zusammen. Sie wird pro Kindergartenjahr pauschal gezahlt und jährlich erhöht“, erklärt Sabine Prott, Leiterin des Geschäftsfeldes Tageseinrichtungen für Kinder bei der Diakonie RWL. Ein großer Nachteil bestehe darin, dass die Finanzierung immer erst anderthalb Jahre später angepasst werde. So müssten die Kita-Träger regelmäßig große Finanzierungslücken ausgleichen. „Die Problematik der zeitlichen Verzögerung verschärft sich drastisch durch die derzeitige Inflation und die gestiegenen Personalkosten. Allein für die 1.750 evangelischen Kitas in NRW liegt die Finanzierungslücke bei 125 Millionen Euro.“

Finanzierungslücke von mehr als 500 Millionen Euro

Nach monatelangen intensiven Gesprächen der Freien Wohlfahrtspflege und der Kirchen mit dem Land hat die Landesregierung nun 100 Millionen Euro Überbrückungshilfe in Aussicht gestellt – vorbehaltlich der Zustimmung durch den Landtag. Zudem soll der Landeshaushalt, wie im Kita-Gesetz vorgesehen, um fast zehn Prozent aufgestockt werden, um die Steigerung der Kindpauschalen ab August 2024 zu finanzieren. „Die 100 Millionen Euro sind ein wichtiges und lang erwartetes Signal. Nach unseren Berechnungen reicht das Geld allerdings nicht aus, um die Finanzierungslücke bis zur nächsten Steigerung der Kindpauschalen im August 2024 auch nur annähernd zu überbrücken“, betont Sabine Prott. Die Freie Wohlfahrtspflege und die Kirchen haben eine Finanzierungslücke von deutlich mehr 500 Millionen Euro aufgrund des aktuellen Tarifabschlusses berechnet.

Personal kürzen, Ausbildungsplätze streichen

Immer mehr Träger geraten in massive finanzielle Schwierigkeiten, berichtet Henrike Tetz, Oberkirchenrätin und Vorsitzende der AG „Tageseinrichtungen für Kinder“. Im schlimmsten Fall müssten Einrichtungen abgegeben oder geschlossen werden. „Bereits jetzt mussten einige Träger ihr Personal deutlich reduzieren. Für Vertretungskräfte ist kein Geld mehr vorhanden. Die Finanzierung von Ausbildungsplätzen können sich viele Träger nicht mehr leisten – das ist angesichts des Fachkräftemangels fatal.“ Henrike Tetz fordert die Kommunen auf, ihren Finanzierungsanteil vorzeitig und nicht erst im August 2024 deutlich zu erhöhen, um einen Kollaps des Kitasystems zu verhindern.

OGS oft nur durch Querfinanzierung zu halten

Auch die Offenen Ganztagsschulen (OGS) stecken in finanziellen Nöten. „Seit fast 20 Jahren stellen wir ein strukturelles Finanzierungsdefizit fest, das die Träger teilweise durch Querfinanzierungen ausgleichen“, sagt Tim Rietzke, Leiter des Geschäftsfeldes Familie und junge Menschen der Diakonie RWL. Nach dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst zahlen die Träger allen Mitarbeitenden zwischen Juni 2023 und Februar 2024 die Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro – hinzu kommen Tarifsteigerungen von durchschnittlich elf Prozent ab März 2024. Die Fördersätze sowohl des Landes als auch der Kommunen würden zwar jährlich um drei Prozent erhöht. „Angesichts der Kostensteigerungen wirkt die Erhöhung um nur drei Prozent aber wie eine Kürzung. Diese große Lücke können die Träger in einem seit Jahren unterfinanzierten System nun nicht mehr durch Quersubventionen schließen.“ Die Freie Wohlfahrtspflege NRW kommt in eigenen Berechnungen zu dem Schluss, dass die Pauschalen pro Kind und Schuljahr eigentlich etwa doppelt so hoch ausfallen müssten.

In den vergangenen Monaten hätten einige Kommunen versucht, die Situation zu stabilisieren, gerieten aber schnell an ihre finanziellen Grenzen, so Tim Rietzke. „Manche Kommunen würden ihren Anteil gerne erhöhen, dürfen dies aber nicht, weil sie in der Haushaltssicherung sind oder drohen, dort hineinzugeraten. Sie dürfen daher keine zusätzlichen Schulden machen. Während das Schulministerium also keine weiteren Mittel zur Verfügung stellt, blockieren die Vorgaben des NRW-Kommunalministeriums zusätzlich die Handlungsspielräume vor Ort.“

Betreuungszeiten einschränken

Bei einer Befragung der Diakonie RWL gab jeder dritte OGS-Träger kürzlich an, noch in diesem Jahr in einen Liquiditätsengpass zu rutschen. „Wenn die bestehenden Kosten nicht refinanziert werden, gibt es für die Träger nur zwei Möglichkeiten: Massive Abstriche bei der Qualität der Angebote oder Angebote ganz aufzugeben“, sagt Tim Rietzke. Um die Kostensteigerungen ausgleichen zu können, müssten Personalstunden abgebaut werden. Dann müssten entweder Betreuungszeiten deutlich eingeschränkt oder Gruppen zusammengelegt werden. „Das ist dann aber Verwahrung und hat mit Bildung, Erziehung und Betreuung nichts mehr zu tun“, sagt Vera Nosek, Kirchenrätin und Referentin für Bildung im Evangelischen Büro NRW. „Wir brauchen daher dringend ein Rettungspaket für die OGS in NRW, um überhaupt den Status quo erhalten zu können.“

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Datum: 17.10.2023