Westfälische Delegation zu Gast in der Evangelischen Kirche von Rumänien
Nachhaltiges Wirken in der Diaspora
Wie vielfältig kirchliches Leben sein kann, auch wenn eine Kirche sich als Kirche in der Diaspora versteht, davon konnten sich die Mitglieder einer Delegation der westfälischen Kirchenleitung bei einem Besuch in Rumänien überzeugen. Drei Tage lang waren sieben Vertreterinnen und Vertreter der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) im siebenbürgischen Sibiu (Hermannstadt) zu Gast. Dort besuchten sie die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien, die insbesondere in Siebenbürgen als deutschsprachige Kirche wirkt.
Auch wenn sich die überwiegende Mehrheit der rumänischen Bevölkerung einer christlichen Religion zugehörig fühlt, gehört nur eine kleine Minderheit der Evangelischen Kirche an. Neben anderen kleinen Religionsgemeinschaften wie Freikirchen oder pfingstlerischen Gemeinden und einer ebenfalls relativ kleinen katholischen Gruppierung stellt die orthodoxe Kirche mit Abstand die größte religiöse Organisation im Land dar.
Eine Herausforderung der besonderen Art stellte sich der Evangelischen Kirche in Rumänien nach der politischen Wende im Land im Jahr 1990. In den darauffolgenden Jahren verließen zahlreiche, insbesondere deutschsprachige Menschen das Land, um sich in Deutschland, Österreich oder anderswo anzusiedeln. Die Evangelische Kirche in Rumänien verlor binnen kurzer Zeit rund 95 Prozent ihrer Mitglieder.
Gleichwohl zeigt sich die Kirche heute aktiv und selbstbewusst. Sie setzt Akzente in der rumänischen Gesellschaft, gestaltet Jugend-, Frauen- und Seniorenarbeit in ihren Gemeinden, verantwortet diakonische Angebote und pflegt ein vielgestaltiges, gottesdienstliches Leben. Viele, auch nicht ursprünglich deutschsprachige Familien schätzen die evangelische Wertevermittlung in den deutschen Schulen und auch die Flüchtlingsarbeit, insbesondere für geflüchtete Menschen aus der Ukraine, genießt aktuell hohe Aufmerksamkeit.
Einen neuen Schwerpunkt entwickelt die Kirche in Hermannstadt mit dem Einsatz für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Darin, so der zuständige Stadtpfarrer Kilian Dörr, sei die Evangelische Kirche von Westfalen mit ihrem Klimaschutzgesetz und den zahlreichen Aktivitäten in Kirchenkreisen und Gemeinden Vorbild.
Eine Besonderheit in Siebenbürgen sind die zahlreichen Kirchenburgen, die einst als Wehranlagen gegen Angriffe von Tataren gedient haben. Sie sind heute teils Kirche, Kulturzentrum, Museum und touristisches Ausflugsziel zugleich. Und sie weisen das große historische Gewicht der Gegend und ihrer Kirchen aus, bringen aber gleichzeitig immense Anstrengungen in Bezug auf baulichen Erhalt und Instandsetzung mit sich.
All die Aufgaben und Herausforderungen sucht die kleine Diaspora-Kirche mit klugem wirtschaftlichem Handeln, staatlichen Zuschüssen und auch der Unterstützung von Partnerkirchen im Ausland zu bewältigen. Ein Kirchensteuersystem wie in Deutschland gibt es in Rumänien nicht.
Auch die ökumenische Partnerarbeit der EKvW unterstützt in Siebenbürgen gezielt Projekte. So konnte beispielsweise das ZETO – das Zentrum für Evangelische Theologie im Osten –, in dem die Aus,- Fort- und Weiterbildung für Theologinnen und Theologen ihren Sitz hat, mit westfälischer Hilfe zu nachhaltigem Erfolg geführt werden.
Beeindruckt zeigte sich die Delegation unter der Leitung der westfälischen Präses Annette Kurschus von der Gastfreundschaft, vor allem aber von dem Engagement und der Haltung der Kirchenvertreterinnen und -vertreter, die sie bei ihrem Besuch an unterschiedlichen Orten der rumänischen Kirche in Siebenbürgen traf. „Bei uns wird nicht gezählt, sondern gewogen“, sagte der gastgebende Bischof Reinhart Guib über das Selbstverständnis seiner Kirche. Dass die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien trotz geringer Mitgliederzahlen ihr Gewicht zum Tragen bringt, ist augenscheinlich. Präses Annette Kurschus bezeichnete Wirken und Haltung der rumänischen Partnerkirche als ermutigend. „Möglicherweise haben wir hier auch ein Stück Zukunft für unsere eigene Kirche gesehen“, sagte die Präses bei der Verabschiedung in Hermannstadt. „Die Art, wie Sie trotz widriger Voraussetzungen kirchliches Leben für die Menschen gestalten und ihren Glauben in der Gesellschaft sichtbar machen, kann für uns ein Beispiel sein.“