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Präses Annette Kurschus: Gott reagiert auf menschliches Bitten und Rufen

Kirchentag: Tischrede im Straßenbahndepot

STUTTGART/WESTFALEN - Präses Annette Kurschus hielt am Donnerstag (4.6.) auf dem Kirchentag in Stuttgart eine Tischrede besonderer Art. Eine Halle mit alten Straßenbahnzügen, der Besucher geht über Gleise und Waschbeton. Das vormalige Depot ist heute ein Museum zur Geschichte der Stuttgarter Nahverkehrsmittel. In der »Straßenbahnwelt« geht es heute um den 90. Psalm, jenes uralte jüdische Gebet, dem das Motto dieses Kirchentages entnommen ist: »damit wir klug werden«.

Zwei Blockflöten spielen, mal harmonisch zweistimmig, mal in schrillen, hohen Tönen, hart angestoßen oder auch in weichem Glissando. Mal flüstern Christina Hahn und Elisabeth Wirth in ihre Instrumente, dann wieder werden sie laut, pfeifen durchdringend. Dazu tanzt Laura Tiffany Schmid. Sie tanzt expressiv, höchst konzentriert, vollführt atemberaubende Sprünge und blitzschnelle Trippelschritte.

Der 90. Psalm betrachtet die menschliche Vergänglichkeit angesichts des ewigen Gottes. »Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Tausend Jahre sind vor die wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.« So klingt es bei Martin Luther. Zu Beginn werden die Worte rezitiert, in verschiedenen Übersetzungen. Gedichte und Prosa zum Thema Zeit sind zwischendurch zu hören. Der jüdische Kantor Daniel Kempin singt mit seinem kraftvollen Bass jiddische Lieder, die er virtuos auf der Gitarre begleitet.

Schließlich hält Präses Annette Kurschus ihre Tischrede. Die Worte des 90. Psalms, sagt sie, machen unsere Kalender und unsere Uhren so klein und unser Leben so groß, »dass wir zaghaft erahnen können, woher wir kommen und wohin wir gehen«. Der Tod erscheine zunächst unerbittlich hart und grausam: »Das macht dein Zorn, Gott, dass wir so vergehen, und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen.« Doch die Bitte: »Herr, kehre dich doch endlich wieder zu uns!« zeige: Der Beter rechnet damit, dass Gott auf menschliches Bitten und Rufen reagiert, dass Gott bereut, sich ändert, dass er umkehrt – gerade weil er seinen Menschen treu bleiben will.

In einer festlichen Mahlzeit scheine bisweilen die Zeit für eine Weile still zu stehen. Kurschus: »Vielleicht ist das gemeinsame Essen und Trinken deshalb so kostbar, weil wir wissen, dass es nicht von Bestand ist, was wir da tun. Es hat seinen Glanz gerade in der Vergänglichkeit. Es hat seinen Glanz auch darin, dass es Vorgeschmack ist. Unser festliches Essen und Trinken ist Vorgeschmack dessen, wie es sein wird, wenn Gott sich selbst und uns und alles ändert.«
Körbe mit Weißbrot und Schüsseln mit Trauben werden nun herumgereicht.

Menschen, die sich nicht kennen, kommen ins Gespräch. Unter ihnen ist auch Bettina Willimczik aus Porta Westfalica. Sie gehört zu den 150 Personen, die aus dem Evangelischen Kirchenkreis Vlotho nach Stuttgart gereist sind. Da sie selbst Blockflöte spielt, hat sie der Musik mit besonderem Interesse zugehört und ist sehr angetan: »Das war Flötentechnik einmal ganz anders.« Und weil sie die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen schon immer mal erleben wollte, war dieser Abend für sie »die ideale Kombination«.

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