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Gemeinsames Erinnern und ein gemeinsamer Blick nach vorn: Grußworte und Zeitzeugenberichte

Trotz Leid und Schuld Versöhnung leben

In dem ökumenischen Gottesdienst der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und des Polnischen Ökumenischen Rates kamen auch polnische und deutsche Zeitzeugen zu Wort, darunter ein polnischer ehemaliger KZ-Häftling und ein deutscher Vertriebener. Junge Polen und Deutsche sprachen über ihre Vision eines friedlichen Europas. Hochrangige Repräsentanten deutscher und polnischer Kirchen würdigten das Engagement zur Versöhnung.

Viele Besucher der Warschauer Trinitatiskirche sind Polen, die das Grauen durch die deutschen Nationalsozialisten noch selbst erlebt haben. Neben ihnen sitzen Gäste aus Deutschland, die sich in Versöhnungsprojekten engagieren. Vor einem Kreuz stehen Präses Annette Kurschus, die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Bischof Jerzy Samiec, Präsident des Polnischen Ökumenischen Rates. 80 Jahre nach dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen geht es in dem deutsch-polnischen Friedensgottesdienst am Samstag um Schuld und Vergebung aber auch um einen gemeinsamen Weg in die Zukunft.

Der Friedens- und Gedenkgottesdienst von EKD und dem Polnischen Ökumenischen Rat lässt auch Menschen zu Wort kommen, die für das Leid, aber auch für Vergebung und Versöhnung stehen. „In meinem Unterbewusstsein kann ich immer noch ihre Schreie hören“, erzählt Stanislaw Zalewski, der in KZ-Jacke und -Mütze in der Kirche steht. Als Gefangener im KZ Auschwitz-Birkenau musste er zusehen, wie Frauen des Lagers auf Lastwagen geschoben und zum Krematorium gefahren wurden, wo sie vergast wurden. 

Aus einer anderen Perspektive erzählt der 81-jährige Theologe Hans-Henning Neß, wie seine Familie aus dem Kreis Breslau im Jahr 1946 vertrieben wurden. Der heute in Göttingen lebende Theologe engagiert sich in zahlreichen deutsch-polnischen Initiativen, wie der “Gemeinschaft evangelischer Schlesier“. Aus der Erfahrung der Vertreibung wuchs sein Engagement, Kontakte zu den Menschen in den ehemaligen Ostgebieten zu knüpfen und sich für ein friedliches Zusammenleben der Menschen einzusetzen, wie er berichtet.

Versöhnung zwischen Deutschen und Polen

Die Versöhnung zwischen Deutschen und Polen ist Kurschus auch persönlich ein Anliegen. „Deutsch-polnische Geschichte zieht sich durch meine Familie“, erzählt die westfälische Präses. Ihr aus Königsberg (Kaliningrad) stammender Vater war mit seiner Familie nach Masuren im heutigen Polen gezogen. Vor dort flüchtete die Familie im Januar 1945 über Dänemark nach Hessen. Die Familie pflegte intensive Kontakte zur ehemaligen Heimat und den inzwischen dort lebenden Menschen.

Dass Versöhnung möglich ist, dafür stehen die 96-jährige Warschauerin Alina Dabrowska und die 18-jährige Hannah Westphal. Dabrowska hat fünf KZs überlebt, wie sie bei einem Treffen vor dem Gottesdienst erzählt. „Die Zeit im KZ Auschwitz hat noch immer einen besonderen Platz in meinem Gedächtnis“, sagt sie. Heute erzählt sie Schülern in Deutschland von dieser Zeit. „Mir ist wichtig, die Geschichte weiterzugeben  - ohne Hass“, sagt sie.

Im Rahmen Frankfurter Versöhnungs- und Begegnungsinitiative „Zeichen der Hoffnung“ hat die 18-jährige Hannah Westphal als Freiwillige bei der evangelischen Gemeinde in Krakau begonnen. Sie lernt die polnische Sprache und freut sich auf die persönlichen Begegnungen. Auch wenn sie keine persönliche Schuld für die Verbrechen des Nationalsozialismus fühle, empfinde sie jedoch als Deutsche eine Verantwortung, unterstreicht sie.

Grußworte

Für die polnische Regierung rief Agnieszka Lenartowich-Lysik vom Beraterstab des Präsidenten dazu auf, die Erinnerung an die Opfer als Warnung weiterzugeben, dass es nie wieder Krieg geben dürfe. Zugleich dankte sie im Namen des Präsidenten Andrzej Duda der EKD und dem Polnischem Ökumenischen Rat für das Engagement der Versöhnung zwischen Polen und Deutschland.

Der deutsche Botschafter in Warschau, Rolf Wilhelm Nikel, hob in seinem Grußwort die Versöhnungsinitiativen der Kirchen beider Länder hervor. Als Beispiel nannte er den Brief polnischer Bischöfe an die deutschen Bischöfe und die Ostdenkschrift der EKD aus den 1960er Jahren. Heute, da Aussöhnung weit fortgeschritten sei, und nicht wieder zur Disposition gestellt werden sollte, sei das Engagement aller Christen beiderseits der Oder weiterhin von großer Bedeutung.

Bischof Krzysztof Nitkiewicz, Vorsitzender des Rates für Ökumene der römisch-katholischen Polnischen Bischofskonferenz, verwies darauf, dass bei dem Gedenken auch der Blick auf die Menschen gerichtet werde, die zum Sieg des Guten und zur Versöhnung beigetragen hätten. Dabei hätten auch die Kirchen eine wichtige Rolle gespielt.

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mahnte, dass die Geschehnisse des 1. September 1939 nicht in Vergessenheit geraten dürften. „Und allen, die vergessen oder vergessen wollen, rufen wir zu: Als Christinnen und Christen lassen wir nicht nach, die Erinnerung wachzuhalten!“
(mit Material von epd)

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