EKvW-Vizepräsident Ulf Schlüter trifft Schausteller-Präsident Patrick Arens
Seelsorge steht bei Schaustellerfamilien hoch im Kurs
Gebrannte Mandeln und Auto-Scooter, Hotdogs und Riesenrad, Crepes, Schießstand, Achterbahn: Auf der Osterkirmes FreDolino am Fredenbaumplatz im Dortmunder Norden schallen und leuchten Stände, Buden und Fahrgeschäfte für jeden Geschmack mit- und nebeneinander. Kleine und große Besucher*innen haben hier Spaß, freuen sich über Attraktionen, bunte Farben und Gerüche. Sie spazieren vorbei, probieren das eine oder andere aus und gehen dann fröhlich wieder nach Hause.
Einige Menschen aber bleiben auf dem Platz, auch wenn nach 22 Uhr Lichter und Musik ausgehen. Und sie sind auch am nächsten Morgen hier, um die Standtüren wieder aufzumachen, den Grill anzufeuern und die Karussells zum Laufen zu bringen. Für die Schaustellerinnen und Schausteller ist der Kirmesplatz Zuhause. Zumindest vorübergehend wohnen sie hier, in ihren großen Wohnwagen am Rand des Platzes. Dann ziehen sie weiter, zum nächsten Einsatz in der nächsten Stadt. Aber auch dort bleibt die Kirmes ihr Lebensmittelpunkt, wenn auch an wechselnden Orten.
Rund 320 Menschen an 90 Ständen und Fahrgeschäften sind allein auf der Dortmunder FreDolino im Einsatz. Bundesweit gibt es rund 5.000 Ausstellerbetriebe mit fast 25.000 Mitarbeitenden, sagt Patrick Arens. Er ist Präsident des Bundesverbands für Schausteller und Marktkaufleute (BSM) und hier in Dortmund zudem Vorsitzender des örtlichen Schaustellerverbands ‚Rote Erde‘. Die meisten davon seien Familienunternehmen, bei denen alte und junge Familienmitglieder ihre Angebote miteinander betrieben. Und so werden die Kirmesstände noch immer meist an die nächste Generation weitergegeben, egal ob Mandelbude oder Kinderkarussell.
Um einen Eindruck von dem kleinen Schaustellerkosmos zu vermitteln, hatte Patrick Arens den Theologischen Vizepräsidenten der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), Ulf Schlüter, auf die Dortmunder Kirmes eingeladen. Gemeinsam mit Schaustellerehepaar Silke und Heinz-Dieter Mennecke, in deren Wohnwagen der Vizepräsident zu Gast sein durfte, berichtete Arens dabei über die Arbeit der Schausteller und auch ihre Sorgen, etwa bei der Bewältigung von bürokratischen Anforderungen oder der Einhaltung von behördlichen Sicherheitsvorgaben. Für jede FreDolino-Kirmes in Dortmund muss beispielsweise ein gesonderter Bauantrag bei der Stadt Dortmund gestellt werden, weil der Kirmesplatz eingezäunt ist.
Aber Patrick Arens und das Ehepaar Mennecke erzählten auch über die Lebensweise der Schaustellerfamilien. In der Community, so Arens, herrsche ein großer Zusammenhalt. Man kennt und schätzt sich, hilft sich gegenseitig und feiert auch gerne miteinander, beispielsweise Gottesdienste. Am Ostermontag etwa erwarten die FreDolino-Schausteller den EKD-Pfarrer für die Circus- und Schaustellerseelsorge (CSS), Thorsten Heinrich. Der tourt mit seinem Seelsorge-Auftrag durch Deutschland. Und immer wenn er durch die Budengänge gehe, so berichtet Patrick Arens, werde er überall freudig begrüßt. Jede*r kenne Pfarrer Heinrich, genau wie dessen katholischen Kollegen Sascha Ellinghaus; und auch die Geistlichen hätten Einblick in die einzelnen Familien.
So werden auch kirchliche Amtshandlungen stets zu großen Events. Selbstverständlich finden sie, wie auch die übrigen Kirmesgottesdienste, vor Ort in Zelten auf dem Festplatz statt. Gerade erst hat die Community dort miteinander die Taufe der kleinen Hayden gefeiert. Weit mehr als 100 Gäste waren am Fredenbergplatz dabei.
Der Glaube habe für viele Schausteller*innen nach wie vor eine große Bedeutung, sagt Patrick Arens. Er gebe Halt, gerade auch bei allen Unwägbarkeiten, mit denen man im Schaustellergewerbe umgehen müsse, von Wetter über Reisen bis zum Umgang mit der Corona-Pandemie vor fünf Jahren. Und so warb der Schausteller-Präsident für ein enges Miteinander von Kirche und Kirmes auch in der Zukunft. Seelsorge sei für die Familien der Schausteller von großer Bedeutung, sagte Arens. Viele fühlten sich in seinem Gewerbe den Kirchen hoch verbunden und würden ungern auf deren seelsorgerliche Begleitung verzichten.
Dass die Finanzierung von speziellen Seelsorgestellen für die Kirchen zunehmend schwierig werde, sei auch ihm und seinen Verbänden bewusst, sagte Patrick Arens. Die EKD hatte eine Kürzung der Pfarrstelle in Aussicht gestellt, wenn Seelsorger Thorsten Heinrich im Jahr 2029 in den Ruhestand gehe. Eine gesonderte CSS-Pfarrstelle auf landeskirchlicher Ebene gibt es in Westfalen nicht.
Wenn es nötig sei, würde man von Seiten der Schaustellerverbände sogar über die Beteiligung an einer Finanzierung für die seelsorgerliche Begleitung nachdenken. In jedem Fall lege man auch künftig großen Wert darauf, solche Begleitung an der Seite der Familien unterwegs zu wissen, stellte Patrick Arens klar.
Arens selbst hatte kirchliche Partner*innen in der Vergangenheit schon mehrfach mit seinem Knowhow unterstützt, etwa bei Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum 2017 oder bei der Vorbereitung auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019. Kirche und Kirmes haben offenbar doch mehr Schnittmengen, als man beim Gang über den Rummelplatz gemeinhin vermutet. Und auch Zuckerwatte und Achterbahnfahrten lassen sich besser unter Gottes Segen anbieten.