Frühlingsempfang Diakonie RWL
Mit Zuversicht in die Zukunft
Die Diakonie als »Kümmerer«, Gestalter des Sozialstaats und Nervensäge der Politik – Auf dem Frühlingsempfang gab es viele Umschreibungen für das, was die Mitglieder der Diakonie RWL in der Region zwischen Bielefeld und Saarbrücken leisten. Mit 200 Gästen aus Politik, Diakonie und Kirche hat der Spitzenverband am Mittwoch gut gelaunt und selbstbewusst seine Fusion gefeiert.
Was ist Diakonie? Diese Frage zog sich wie ein roter Faden durch den Frühlingsempfang und wird viele der rund 200 Gäste auch noch in zwei Wochen beschäftigen. Dann nämlich haben sie eine Postkarte im Briefkasten, die ihnen erklärt, was Diakonie ist. Und zwar von anderen Teilnehmern des Frühlingsempfangs, der am Mittwoch in den Düsseldorfer Rheinterrassen stattfand. »Wenn Menschenwürde und Gerechtigkeit sich die Hand geben«, hat etwa Wolfgang Biehl vom Diakonischen Werk an der Saar formuliert.
Andere fanden, Diakonie ist, »wenn man trotzdem lacht«. Keine leichte Aufgabe in Zeiten eines zunehmenden Finanz- und Wettbewerbsdrucks, eines erstarkenden Rechtspopulismus und einer Verfestigung von Armut. »Diese Herausforderungen können wir nur meistern, wenn wir gemeinsam und gut vernetzt am Sozialmarkt handeln und gegenüber der Politik mit einer Stimme sprechen«, betonte Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann gleich zu Beginn in einer Talkrunde mit WDR-Moderatorin Gisela Steinhauer und dem Verwaltungsratsvorsitzenden Karl-Horst Junge.
Keinen Menschen verloren geben
Über zehn Jahre hat es gedauert, bis sich die drei Diakonischen Werke in Rheinland, Westfalen und Lippe auf diese »eine Stimme« einigen konnten und sich unter dem Dach eines Spitzenverbandes organisierten. Doch das sei gemessen an den Entscheidungen des Europäischen Parlaments noch schnell, witzelte Junge und gab zu: »Es mussten viele dicke Bretter gebohrt und Grenzen in den Köpfen überwunden werden.« Rheinländer und Westfalen unter einen Hut zu bekommen, sei eben nicht so einfach.
Auf dem Frühlingsempfang war davon nicht viel zu spüren. Die Gemeinsamkeit stand im Mittelpunkt. Sie besteht, so fasste es die westfälische Präses Annette Kurschus in ihrer Predigt zusammen, im Auftrag von Diakonie und Kirche, »keinen einzigen Menschen verloren zu geben«. Die Theologin gestaltete gemeinsam mit dem rheinischen Präses Manfred Rekowski, dem lippischen Landessuperintendenten Dietmar Arends und Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann den Gottesdienst auf dem Frühlingsempfang. »Die Würde des Einzelnen ist heute nicht mehr selbstverständlich. Wir müssen sie verteidigen«, betonte Kurschus.
Unverzichtbarer Partner der Politik
NRW-Sozialminister Rainer Schmeltzer wurde in seinem Grußwort konkreter: »Wir sind besorgt über die zunehmenden Parolen von rechts. Das wirkt sich aus, Hemmschwellen sinken. Wir müssen deshalb alle den Mund aufmachen, um Vorurteilen und fremdenfeindlicher Hetze etwas entgegenzusetzen.« Die Diakonie stelle sich hier der gesellschaftlichen Verantwortung etwa durch ihre Antidiskriminierungsarbeit als Trägerin der landesgeförderten Integrationsagenturen, so der Minister. Überhaupt sei sie als Anwalt der Schwächeren ein unverzichtbarer Partner der Landesregierung. »Da dürfen Sie auch gerne mal nervig sein«, räumte der Minister ein.
Doch nicht nur das. Mutiger und frecher müsse die Diakonie werden, gab der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, später in der Podiumsdiskussion selbstkritisch zu. »Wir sind mit unserer Kritik in vielen Bereichen schon einigermaßen vernehmlich, aber wir müssen und werden uns künftig zu Wort melden, etwa, wenn es um die Rückführung von Flüchtlingen geht.«
Entheimateten wieder eine Heimat geben
Derzeit werde leider viel mehr über Abschiebung als Integration geredet, bedauerte Heribert Prantl in seinem Vortrag. Der bekannte Journalist der Süddeutschen Zeitung mahnte, das 21. Jahrhundert werde sich daran messen lassen müssen, »wie wir mit Flüchtlingen umgegangen sind und entheimateten Menschen wieder Heimat gegeben haben.« Er forderte die Diakonie auf, sich weiterhin als »Kümmerer« und »Schicksalskorrektor« für Flüchtlinge und benachteiligte Menschen einzusetzen.
Das Alleinstellungsmerkmal der Diakonie sei nicht ihre soziale Professionalität und ihr ökonomisches Know How, sondern ihre Nächstenliebe und Fürsorge. Der Journalist betonte dabei die große Rolle der ehrenamtlichen Mitarbeiter, die gut mit den Profis zusammenarbeiteten. Die Zeiten seien schwierig, so Prantl, aber »die Diakonie ist ein Zentralplatz der Zuversicht und sie muss es bleiben.«
Barmherzigkeit als Wettbewerbsvorteil
Auch Karl-Josef Laumann, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und Bundespatientenbeauftragter, betonte den Wettbewerbsvorteil einer Diakonie, die auf christlichen Werten basiert. Die Menschen und ihre Angehörigen könnten häufig spüren, dass in Einrichtungen mit kirchlichem Hintergrund ein anderer Geist wehe. »Ein Wohlfahrtsverband ist zwar auch ein Wirtschaftsunternehmen, aber es muss barmherzig sein.«
Doch wie zeigt sich Barmherzigkeit heute? Eine moderne Antwort versucht der neue Imagefilm der Diakonie RWL zu geben, der auf dem Frühlingsempfang erstmals präsentiert wurde. In aller Kürze macht er deutlich, dass sich hinter der Fassade einer leistungsstarken und glücklichen Gesellschaft Gewalt, Sucht und Ausbeutung verbergen. Die Diakonie hilft professionell, dezent und ohne die Menschen zu verurteilen. Oder anders ausgedrückt: »Diakonie ist, wenn aus der Liebe eine Tat wird.« So formulierte es ein Gast auf einer Postkarte. (Sabine Damaschke)