15 Jahre Gemeinsames Pastoralkolleg: EKvW, EKiR, Lippische Landeskirche und Evangelisch-reformierte Kirche feierten gemeinsam
Ein ganz besonderes Zahlenspiel: 75 + 75 = 15(0)
Das Zahlenspiel zum 15-jährigen Jubiläum des Gemeinsamen Pastoralkollegs in Villigst ist einfach: 75 + 75 = 15(0). Und auf jeden Fall ein Grund zu feiern:
2010 schlossen sich die beiden – bereits 1950 gegründeten – Pastoralkollegs der westfälischen und der rheinischen Landeskirche zusammen und nahmen die Lipper und die Reformierten als weitere Trägerkirchen mit ins Boot. Seitdem gibt es das „Gemeinsame Pastoralkolleg“ (GPK) der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), der Lippischen Landeskirche und der Evangelisch-reformierten Kirche.
Es gehört zum Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung (IAFW) der EKvW und bietet „geistlich stärkendes, Kompetenzen förderndes und inspirierendes, lebenslanges Lernen für alle Personen in pastoralen Diensten.“ So bringt es seine Leiterin, Pfarrerin Susanne B. Wolf, kurz und knapp auf den Punkt. Und sie wirft auch einen Blick nach vorn: „In diesem Jahr geht das Team entsprechend der veränderten Rahmenbedingungen des pastoralen Arbeitens mit einem neuen Konzept an den Start. Fluide Strukturen, neue Fortbildungsformate sowie eine bewusste Zielgruppenerweiterung gehören dazu.“ Was genau das heißt, wird spätestens mit der Veröffentlichung des neuen Jahresprogramms für 2026 im Herbst verraten.
„Der Mensch ist gemeint“
Im Gottesdienst zu Beginn des Jubiläumsfestes predigte Dr. Susanne Bei der Wieden, Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche, über Psalm 150. Ein Psalm voller Lobpreis, Musikalität und Dankbarkeit. Passend zur „Glas-Hochzeit“ – den 15 Jahren des Gemeinsamen Pastoralkollegs. Das große Halleluja am Ende des 150. (und letzten) Psalms ist für Bei der Wieden kein Ende, sondern die Öffnung hin zum Leben, für ein dankbares Leben vor Gott. Das sei vielleicht „ein bisschen so wie das, was in unserem Gemeinsamen Pastoralkolleg geschieht: Der Mensch ist gemeint. Der individuelle Mensch, einzigartig von Gott geschaffen. Der hier Gemeinde auf Zeit lebt und erlebt. Und in seinem Gepäck, in seinem Herzen und in Gedanken andere Menschen mitbringt. Die Menschen unserer Gemeinden“.
Alle kämen sie in ihrer Wunderbarkeit und auch ihrer Verwundetheit vor Gott. „Und dann entstehen Töne durch das Miteinander. Dann entsteht Leben durch Reibung. Aneinander, an den Themen, an Gott. Zarter als die lärmende Fülle im Psalm. Eher wie eine Glasharfe vielleicht.“ Und wenn ein Kolleg ende, so Bei der Wieden, dann gingen sie wieder auseinander, die vielen verschiedenen Professionen und ehrenamtlich Engagierten. Ebenso die Lehrenden, die all die Kollegs mit Leidenschaft und Liebe vorbereitet und durchgeführt hätten: „Sie gehen auseinander. Und das ist nicht das Ende! Im Gegenteil: Dann geht es erst richtig los! Dann beginnt der Transfer, die Integration der neuen Erkenntnisse in den Alltag. Hier wie dort. Weiterhin und allezeit vor Gott.“
Die Tradition als Schatz
Grußworte und Tischreden, die – wie bei jedem Fest – auch am Donnerstag (22. Mai) nicht fehlen durften, zeigten, welche Spuren lebenslanges Lernen im Allgemeinen und im „Pastoralkollegbesonderen“ bei Menschen hinterlässt. Die musikalische Gestaltung des Nachmittages übernahm Popkantor Simon Biffart aus Hamm.
„Die Tradition, die wir haben, ist ein Schatz“, ist sich GPK-Leiterin Susanne B. Wolf ganz sicher. „Ein Schatz, in dem wir wurzeln und der uns auch bereichert. Denn immer schon waren Pastoralkollegs andere Orte des Innehaltens, der geistlichen Gemeinschaft. Orte und Zeiten der Inspiration und des Lernens.“ Seit 15 Jahren hegen die vier Landeskirchen diesen Schatz nun gemeinsam.
Verheißungen wachhalten, Träume neu wecken
Oberkirchenrätin Katrin Göckenjan-Wessel, Personaldezernentin der EKvW und Vorsitzende der Dezernatskonferenz der vier GPK-Trägerkirchen, blickte in ihrem Grußwort zunächst zurück auf die Gründungsphase des Gemeinsamen Pastoralkollegs: „Ob das auch am Anfang ein gemeinsamer Traum war? Für einige ganz sicher – sonst wäre nichts draus geworden. Für manche war’s wenigstens einen Versuch wert oder ein kleineres Übel. Für den einen, die andere hat es sich insgeheim vielleicht auch wie ein Alptraum angefühlt: Ob das nicht das eigene Profil aufgeben würde? Ob nicht die Probleme größer würden als die Chance?“ Das war vor 15 Jahren. „Heute“, so Göckenjan-Wessel, „sagen wir dankbar: Wie gut, dass Peter Böhlemann, dass ihr damals genug Zutrauen zum Zusammengehen hattet. Es lohnt sich, auch als Leitungsverantwortliche an der eigenen Haltung zu arbeiten.“ Denn im gemeinsamen Tun liege eine eigene Kraft. Auf sie zu vertrauen, zahle sich aus.
Die besondere Chance und Aufgabe kirchlicher Fortbildungen sieht die Theologin darin, „Verheißungen wachzuhalten und Träume neu zu wecken, die schon lange vor uns waren und weit über uns hinausweisen. Güte und Gerechtigkeit, Gottes nicht tot zu kriegende Liebe und Gottes Traum für diese Welt. Daran können wir uns gut auf- und ausrichten, wenn wir aus dem Schatz des Evangeliums leben, ihn teilen und weitertragen. Diese schöne und zerrissene Welt braucht das mehr denn je!“
Sie sei von Herzen dankbar für alles, was „wir in den 75 Jahren und als vier Trägerkirchen seit 15 Jahren gemeinsam lernen konnten über Bildungsprozesse und Organisationsformen, über Zusammenarbeit und Verbindlichkeit, weil wir unsere gemeinsame Aufgabe in den Mittelpunkt stellen.“ Ausgelernt – und ausgeträumt – sei damit aber noch lange nicht: „Die kommenden Jahre werden uns weiter stark herausfordern.“ Denn im Wechsel der Generationen, der Kirchengestalten, Berufsbilder und Lebensentwürfe, in den Grenzen der finanziellen und personellen Rahmenbedingungen brauche es vielleicht noch ganz andere Ideen für eine gute Fortbildung, als wir sie heute kennen und können würden.
Und auch Katrin Göckenjan-Wessel machte schon mal zuversichtlich neugierig, auf das, was in den nächsten Monaten mit der neuen GPK-Konzeption kommt: „Die Aufgabe war ziemlich schwierig und forderte heraus: Es galt und gilt – unter dem Druck der starken Veränderung von Rahmenbedingungen – sich neu aufzustellen: kostenmäßig erheblich sparsamer, in den Formaten und Zielgruppen vielfältiger, in der Planungslogik beweglicher und kooperativer, auch mit anderen Partnern. “ Aber: Mit Susanne Wolf in der Leitung und Unterstützung der Dezernatskonferenz sei das GPK-Team den Weg eines gemeinsamen, kreativen Lern- und Konzeptionsprozesses gegangen. Und das Ergebnis, verrät Göckenjan-Wessel, habe alle mehr als überzeugt: „Weniger (einzeln, kleinteilig, losgelöst) ist mehr (Konzentration auf das Wesentliches)!“
Bild- und Bildungsfrage als Lebensaufgabe
In seinem humorigen Impulsvortrag zum Thema „Die Bedeutung der Fortbildung angesichts der Transformation von Kirche heute“ bediente sich Professor Dr. Harald Schroeter-Wittke (Uni Paderborn) diverser rhetorischer „Klimäxchen“. Denn da, verriet er augenzwinkernd, käme die Künstliche Intelligenz (KI) noch nicht drauf. Zum Beispiel „Bildung – Einbildung (nach Meister Eckhart) – Fein-/Wein-/Scheinbildung“ oder „Bildung – Fortbildung – Sofortbildung“. Bildung, betonte Schroeter-Wittke, sei immer medial. Gottes Ebenbildlichkeit und Bilderverbot, Schöpfungsgeschichte und Dekalog seien im christlich-jüdischen Kontext von Beginn an zentral. Und genau in dieser Spannung sei die Bild- und Bildungsfrage Lebensaufgabe und Herausforderung des Menschseins. „Bildung als Einbildung Gottes in uns geht unter die Haut. Berührt unseren Leib. Ist verletzend und segnend zugleich. Erwärmt Körper, Geist und Seele. Schafft Freiraum.“ Deshalb sei der Sprachberuf der Verkündigung auch ein so empfindlicher, wirkungsvoller und weltbewegender Beruf.
Subjektorientierte Bildung heiße, „da kommt was, da kommt jemand auf mich zu. Da werde ich geprägt, so wie eine Münze geprägt wird.“ Vielleicht sei die Explosion von Tätowierungen in unserer Gesellschaft nichts anderes als „subjektorientierter Bildungshunger“. Ausdruck von: „Ich möchte geprägt, gezeichnet sein. Und werden.“ Denn Bildung ist für Schroeter-Wittke immer auch mit Gefühlen verbunden. Besorgt blickt der Theologe auf die umfassende Schnelligkeit, mit der sich die Welt gerade verändere und damit den Druck auch auf die Bildung erhöhe. Darum empfehle er allen die Lebensweisheit seines Sohnes, der „mit Trisomie 21 begabt ist“: „Lass dich von den Schnelleren nicht aufhalten!“ Solch eine Atmosphäre wünsche er auch den Fortbildungen des Pastoralkollegs. Denn nur so ließe sich verhindern, dass sich immer mehr Menschen in der Gesellschaft abgehängt fühlten.
Die Liebe zum Beruf wachgehalten
Einen persönlich-bewegenden Blick auf die letzten Jahrzehnte des Pastoralkollegs und seine wichtige, manchmal Weichen stellende Bedeutung auf die Lebenswege der Teilnehmenden warf Pfarrerin Barbi Kohlhage. Schon zu Studien- und Vikariatszeiten habe sie die Angebote genutzt und dadurch immer wieder neue, wichtige Impulse für sich und ihren Beruf erhalten. Von der Arbeit mit Geflüchteten und Geschlechtergerechtigkeit über konkrete Gottesdienstgestaltung und Aktionen für „Kirche mit Kindern“ bis zum praktischen Zeit- und Stressmanagement. Später kamen dann weitere Zertifikatskurse dazu: TZI (Themenzentrierte Interaktion), KSA (Klinische Seelsorge Ausbildung), Gottesdienstcoaching, geistliche Begleitung etc. Auch Kulturelles und Experimentelles habe es immer wieder gegeben – Fundraising, Clownerie, Bibliodrama und vieles mehr. „Für meine persönlichen Herausforderungen brauche ich aber auch Momente der Stille und des Rückzugs“, sagte die engagierte Krankenhausseelsorgerin. Und ist dankbar, dass es auch die so genannten Inselkollegs gibt: „Was manche belächelten, bedeutete für andere, wirklich neue Kraft zu schöpfen.“
Unendlich dankbar sei sie dafür, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten – wie so viele andere Teilnehmende – Gelegenheit hatte, fremde, ganz andere Lebens-, Glaubens- und Denkweisen kennenzulernen. „Das hat mein Verständnis von Vielfalt und geschwisterlicher Verbundenheit nachhaltig geprägt.“ Kohlhage erinnerte auch an einige Konstanten, die die Teilnahme ermöglichten und den Nutzen sicherten: finanzielle Mittel. Engagierte Dozentinnen und Dozenten, die mit Kreativität und Freude interessante Programme und Seminare gestalten. Die Sekretariate. Die Freiheit bei der Wahl von Ort und Angeboten. Villigst. „Und immer ein verlässliches Zusammenkommen im Geist Gottes.“
Stellvertretend für die Pfarrerinnen und Pfarrer bedankte sie sich herzlich „für viele Jahre Ihres und eures Engagements“. Denn: „Die Inhalte haben unser Wissen bereichert. Seminare stärkten meine Resilienz im Dienst und bewahrten meine Arbeitskraft. Kollegialität und Beratung haben für die eigene Arbeitssituation entlastet. Vor allem lag für mich eines immer zugrunde: Geistliche Einkehr, Verbundenheit mit Geschwistern, Begegnung, auch das Feiern – das gehört zusammen. Beten und Arbeiten im besten Sinne.“ Ihr Fazit: „All das hat mein Leben bereichert, hat meine Liebe zum Beruf wachgehalten, meinen Glauben beflügelt.“
In der Stille Gottes Gegenwart suchen
Seine Tischrede zum GPK-Jubiläum lieferte der Journalist und WDR-Moderator Uwe Schulz per Videobotschaft und erzählte darin kurzweilige Geschichten vom lebenslangen Lernen. Und dem Wert der Stille und Besinnung. Theologisch-biblisch fundiert. Und ganz persönlich. Angefangen bei Jesus, der selbst immer wieder neue Glaubenserfahrungen machte und daraus lernte. „Lernte bis zum Schluss. Am Kreuz. Lernte, wie Sterben geht…“ Über Dietrich Bonhoeffer, der in der Bekennenden Kirche die Ausbildung im Predigerseminar geprägt und, so Schulz, „junge Leute Kirre gemacht hat mit seinen Exerzitien“. Für ihn ist Bonhoeffer einer der geistigen Väter auch des Gemeinsamen Pastoralkollegs in Villigst.
Schulz weiß um den Wert der Stille und Besinnung: „Bleiben Sie offenohrig, dass Sie in Demut die Seele hinhalten dem, der Sie dort hingebracht hat, wo Sie heute sind. Der Sie gedacht hat. Der die beste Idee hatte von Ihnen. Und ich ermuntere Sie, das so oft wie möglich zu tun. Gottes Gegenwart zu suchen.“ Bis hin zu Martin Buber, für den Stille „verschwebendes Schweigen“ war. So wie bei dem Propheten Elijah. Eine Stille, in der Gott spürbar ist. Eine Stille, die Möglichkeiten zur Begegnung und Reflexion bietet. Und damit ganz nah am Lernen ist.
Uwe Schulz erinnerte aber auch an Paulus, einen der großen biblischen „Macher“. Dabei müsse man allerdings aufpassen, dass sich Antrieb nicht in ein Getriebensein verwandele. Denn beim lebenslangen Lernen gehe es vielleicht wesentlich darum, „eben nicht selbst mit aller Energie auf einem festen Gleis vorwärtszukommen. Vielleicht geht es einfach darum, erstmal rollen zu lassen. Die Räder. Und immer wieder die Gelegenheit zuzulassen, Weichen neu zu stellen.“ Auch, wenn man mal scheitere. Dazu dürfe man ruhig den Mut haben. Und Schulz endete mit einem Zitat Rainer Maria Rilkes aus den „Briefen an einen jungen Dichter“: „Leben Sie die Fragen jetzt. Vielleicht werden Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines schönen Tages in die Antworten hineinleben.“ Passt.