50 Jahre Kooperation Kirche und Justiz: Langjähriges Angebot im Vollzug
Damit es auch in der Freiheit klappt
Seminare für Inhaftierte und ihre Angehörige – vor 50 Jahren haben die Evangelische Kirche von Westfalen und die Justiz in NRW dieses Angebot gemeinsam auf den Weg gebracht. Zum Jubiläum lud das Institut für Kirche und Gesellschaft (IKG) jetzt zu einem Fachtag. Über 80 Teilnehmende kamen ins Haus Villigst nach Schwerte.
„Kann man Menschen in der Unfreiheit auf die Freiheit vorbereiten?“, fragte Dr. Oliver Greff, Leitender Ministerialrat vom Justizministerium NRW. Seminare für Paare, Familien, Frauen und Männer mit Gewalterfahrungen geben die Antwort: Inhaftierte und ihre Familien haben seit fünf Jahrzehnten die Möglichkeit, Perspektiven für ein Leben nach der Haft zu entwickeln und alternatives Verhalten zu erlernen.
„Mutig, stark und beherzt waren jene Pioniere, die vor 50 Jahren Neuland betraten und mit den Ehe- und Familienseminaren Räume schafften, um Beziehungen eine Chance zu geben. Mutig, stark und beherzt sind aber doch auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Seminare selbst!“, blickte Oliver Greff mit Stolz auf die Zusammenarbeit. Die eingespielten Originaltöne von Inhaftierten zu ihren Seminarerfahrungen zeugten davon, mit welchem Mut und Willen sie das Angebot angenommen und sich geöffnet haben, um neue Wege einzuschlagen.
Dr. Jan-Dirk Döhling, Landeskirchenrat und Leiter des IKG, gab eine Antwort auf die Frage, warum die Kooperation mit der Justiz der Evangelischen Landeskirche so am Herzen liegt: „Es ist der ureigene Auftrag von Kirche, dorthin zu gehen, wo Not gewendet werden muss. Kirche hat ihren Ort inmitten der Gesellschaft, und ein solcher gesellschaftlicher Ort ist der Justizvollzug.“
Wie viel persönliche Haltung in die Seminararbeit einfließt, wurde deutlich im Gespräch mit den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die seit vielen Jahren – zum Teil seit der Geburtsstunde der Kooperation – mit dabei sind und waren. „Teil der Arbeit in einer Atmosphäre von Achtsamkeit, gegenseitigem Respekt und vertrauensvollem Miteinander zu sein, das ist auch ein Geschenk“, zeigte sich Pfarrer Hardy Tessmann, der seit 25 Jahren bei den Seminaren mitarbeitet, vom Konzept überzeugt. Uschi Riekenbrauck, ehemalige Geschäftsführerin des IKG und Teamerin bei den Seminaren, ergänzte: „Mit den Angeboten für Inhaftierte und ihre Angehörigen können Kirche und Justiz etwas Besonderes leisten. Bei diesen Begegnungen an anderen Orten, an denen nicht beurteilt und verurteilt wird, wird ein Öffnen der Menschen, um die es geht, möglich.“
Tiefere Einblicke in die Praxis der verschiedenen Seminartypen gewannen die Teilnehmenden bei den Workshops, bevor Professor i.R. Philipp Walkenhorst in seinem Vortrag auf die Folgen einer Inhaftierung für die Betroffenen und deren Angehörige und die Konsequenzen für den Justizvollzug einging. Der Sozialwissenschaftler und Vorsitzende des Landespräventionsrates NRW hob besonders die schwerwiegenden Folgen für die Kinder der Inhaftierten hervor. Stigmatisierung, Ausgrenzung und die besondere Gefährdung der Kinder durch die Straffälligkeit und Inhaftierung eines oder beider Elternteile sind nur einige der Aspekte dabei.
Mit seinem Schlussplädoyer gab Philipp Walkenhorst der Kooperation Kirche und Justiz Rückenwind. Er sprach sich für eine uneingeschränkte Fortführung der erfolgreichen Zusammenarbeit auch und gerade in schwierigen Zeiten aus. Hafteinrichtungen der Justiz seien „Facheinrichtungen sozialer Rehabilitation“ und hätten den Auftrag der „Reintegration“.