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Westfälische Kirche stellt ihren ersten Ehrenamtsbericht vor

Augenmerk für das Ehrenamt

SynodeAKTUELL Nr. 3/2023

An Christi Himmelfahrt wurde das Ehrenamt erfunden. So jedenfalls deutete es Pfarrer Hansjörg Federmann, im Bielefelder Landeskirchenamt zuständig für Fundraising und Mitgliederbindung.

Er stellte bei der Tagung der westfälischen Landessynode den ersten Ehrenamtsbericht für die Evangelische Kirche von Westfalen vor. Denn angesichts seiner bevorstehenden Himmelfahrt habe Christus die verbleibenden Jünger aufgefordert, in seinem Sinne zu heilen, zu predigen und für die Menschen da zu sein.

Ehrenamt, das machte Hansjörg Federmann deutlich, hat für die evangelische Kirche eine wichtige Bedeutung. Schon auf ihrer Tagung im Jahr 2021 hatte deshalb die Synode der westfälischen Landeskirche den Beschluss zu einem Konzept unter dem Titel ‚Ehrenamt mit starken Perspektiven‘ gefasst. In dessen Folge entstanden der jetzt vorliegende Bericht, aber auch das landeskirchliche ‚Kompetenzzentrum Ehrenamt‘, das im Oktober vergangenen Jahres seine Arbeit aufnahm. Und so bedankte sich auch Oberkirchenrätin Katrin Göckenjan-Wessel bei den Synodalen, dass sie den ehrenamtlich Tätigen in Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen kontinuierlich eine so große Aufmerksamkeit zumessen würden.

Referent Federmann machte klar, dass ehrenamtliches Engagement generell in Deutschland bedeutsam und beliebt ist. 40 Prozent aller Deutschen, so weist es der Deutsche Freiwilligensurvey aus, engagieren sich ehrenamtlich – in Sportvereinen, Chören, Elternräten, politischen Parteien und Initiativen, in sozialen Einrichtungen oder in der Flüchtlingshilfe, und auch in Kirchen und kirchlichen Diensten. Bei Menschen evangelischer Prägung ist der Bevölkerungsanteil der Ehrenamtlichen sogar noch höher; hier beträgt er 46 Prozent. Allerdings: die meisten der evangelischen Freiwilligen setzen sich in nicht-kirchlichen Organisationen ein. Hier, so Hansjörg Federmann, bestehe für kirchliche Angebote demnach ein Potenzial, das es zu nutzen lohne.

Doch schon jetzt, so ergab die Erhebung zum Ehrenamtsbericht, engagieren sich mehr als 70.000 Menschen ehrenamtlich in irgendeiner Einrichtung oder einem Dienst innerhalb der westfälischen Landeskirche. Sie investieren durchschnittlich 22 Stunden im Monat für ihren freiwilligen Einsatz. „Da packen viele Menschen an“, so Federmann, sei es als Prädikantin oder Prädikant, im Besuchsdienst einer Gemeinde, einer Selbsthilfegruppe oder in der Gemeindeleitung eines Presbyteriums.
Wichtig, darauf weist der Ehrenamtsbericht genau wie andere Studien zu dem Phänomen hin, sei die strukturelle Unterscheidung zwischen haupt- und ehrenamtlichem Engagement. „Ehrenamtliche sind kein Personal“, machte Hansjörg Federmann klar. Sie übernehmen freiwillig Verantwortung in anderer Form und müssen in ihnen angemessener Weise begleitet werden.

In klassischen Feldern kirchlichen Ehrenamts, so zeigen es die Auswertungen des Berichts, sei die Zahl der Mitwirkenden in den zurückliegenden Coronajahren merklich zurückgegangen. Doch auch schon in den Jahren zuvor habe die Beteiligung in Gemeindegruppen, Chören und anderen lokalen Kirchenbezügen abgenommen.

Das Engagement aber, das in manchen Kirchengemeinden abnehme, tauche in anderen Aufgabenfeldern und -formen wieder auf. Das Ehrenamt, so einer der Schlüsse aus dem Bericht, gewinnt, wenn Menschen die Möglichkeit finden, sich nicht nur traditionell ortsnah, sondern regional themenbezogen engagieren können. Dann suchen und finden sie ein Betätigungsfeld, das ihnen persönlich nahe ist und dem sie sich inhaltlich zuordnen mögen.

Überhaupt spielen Spaß und Freude am Einsatz eine wichtige Rolle. Dass der Einsatz Spaß macht, wurde von den Frauen und Männern, die für die Erhebung des Berichts befragt wurden, als wichtige Motivation für ihren Dienst genannt. Wichtig ist zudem die Möglichkeit, mit anderen zusammenwirken zu können, das Gefühl, etwas bewegen und die Gesellschaft positiv mitgestalten zu können und die Verantwortung, als Christ Sinnvolles beizutragen.

Befragt wurden im Rahmen der Erhebung Vertreterinnen und Vertreter aus drei unterschiedlichen Einsatzbereichen: Presbyter/innen, freiwillig Mitarbeitende in der Flüchtlingshilfe und Prädikant/inn/en.

Die meisten von ihnen fühlen sich in ihren ehrenamtlichen Aufgaben wohl. Sie fühlen sich gut informiert, wertgeschätzt und gut in ihrem Einsatz begleitet. Differenzierte Begleitung und zielgenaue Schulungen zählen grundsätzlich zu wesentlichen Voraussetzungen für gelingendes ehrenamtliches Engagement.

Doch es gibt auch „Spaßbremsen“ im Ehrenamt, machte Hansjörg Federmann klar. Ehrenamtliche Arbeit, so zeigt der Bericht, kommt dann an seine Grenzen, wenn Ehrenamtliche sich zeitlich, emotional oder fachlich überlastet fühlen. Auch das ist bei 20 Prozent der Befragten zu finden. Sie muten sich in der übernommenen Aufgabe zu viel zu oder finden, ihnen würden zu viel Arbeit oder Verantwortung aufgeladen. Auch die mangelhafte Zusammenarbeit mit kirchlichen Verwaltungen beklagen einige, insbesondere aus der Arbeit in Presbyterien.

So kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass Leitungsstrukturen und auch Belastungsgrenzen vielerorts hinterfragt werden müssten. Auch ist hie und da eine bessere Schulung und Unterstützung für Ehrenamtliche nötig, um ihre Aufgaben weiterhin attraktiv und effektiv zu gestalten.

Wichtig, um das große Potenzial ehrenamtlichen Engagements auch in Zukunft zu heben, sei weiterhin die Orientierung an den Interessen und Bedürfnissen derer, die sich gerne einsetzen möchten. Das bedarf eines Abgleichs mit traditionellen Aufgaben, die gemeinhin von ehrenamtlich Mitwirkenden übernommen wurden. Und auch der Zeitfaktor, so machte Hanjörg Federmann deutlich, spiele eine Rolle. Ehrenamtliche Arbeit müsse sich an den individuellen Möglichkeiten und Bereitschaften der aktiven Menschen orientieren.

Als Folge des Berichts skizzierte Federmann die Befassung mit der Frage, welche Rolle das Ehrenamt grundsätzlich für die Zukunft der Kirche spiele, einer Kirche in möglicherweise grundlegend neuer Form und Gestalt. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der überwiegende Teil der aktuell ehrenamtlich Tätigen im kirchlichen Kontext Frauen und Männer mit Hochschulabschluss seien, was zu einer Verengung des Aufgabenangebots beitrage. Und auch die Frage, welche Hindernisse künftig dem freiwilligen Einsatz im Wege stehen, müsse weiter intensiv beleuchtet werden.

Erste Ansätze konnten Federmann und Mitarbeitende aus dem Kompetenzzentrum Ehrenamt der Synode bereits vorstellen: den Aufbau einer gezielten Ehrenamtskoordination, die zur Zufriedenheit im ehrenamtlichen Einsatz beitragen soll, und die Entwicklung der Plattform ‚Presbypedia‘, die Presbyterinnen und Presbyter zur digitalen Schulung und zum Online-Austausch nutzen können.

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