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Stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus: Gott ist unbequem / Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Karl Barth

Welche Aufgaben haben die Kirchen im Verhältnis zum Staat?

Die besondere Aufgabe der Kirchen im Verhältnis zum Staat hat Präses Dr. h. c. Annette Kurschus beschrieben: Die Kirchen erinnern immer wieder an Gottes Gebot und an Gottes Gerechtigkeit – und damit an die Verantwortung von Regierenden und Regierten, sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstag (31.1.) in Bonn. Dieses Erinnern geschehe in voller Anerkennung der Souveränität Gottes – doch daraus folge gerade nicht, dass Menschen die Hände in den Schoß legen, sondern Gott antworten, indem sie das gesellschaftliche Leben tatkräftig mitgestalten.

Die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen sprach bei der Tagung „‘Genosse Pfarrer‘. Der politische Karl Barth“, zu der die Friedrich-Ebert-Stiftung, der Reformierte Bund und die EKD eingeladen hatten.

Annette Kurschus warnte davor, Gott in menschliche Kategorien zu zwängen und ihn für eigene Vorlieben zu instrumentalisieren: „Gott ist nicht der engelumschwebte, vollbartberauschte Inbegriff des je aktuellen common sense darüber, was menschlich, vernünftig oder machbar sei.“ Gott sei unbequem, gerade und zuerst für die Kirchen. „Gott, der Erhabene, ist zugleich der Menschenfreundliche und – so glauben wir Christen – der Menschgewordene.“

Da es in der evangelischen Kirche kein Lehramt gibt, das Überzeugungen und Normen für Christen festlegt, „folgen evangelische Christen ihrem informierten und theologisch geschärften Gewissen. Sie können sich dabei auch irren“, sagte Kurschus. Sie mahnte deshalb zur Zurückhaltung und Bescheidenheit: Die Kirche sollte sehr genau überlegen, „wann und wem sie was meint sagen zu müssen. Sie sollte sorgfältig abwägen, wie sie dies jeweils tut, und wird sich immer der Gefahr bewusst sein, dabei den Mund zu voll zu nehmen.“

Für Karl Barth ist das Gebet vordringliche Aufgabe des Glaubens für die Politik – „eine kräftige Provokation“, wie Annette Kurschus sagte: Wer betet, setze zunächst nicht auf das Handeln der Menschen, sondern auf Gottes Handeln. „Wer betet, erkennt an – und sei es auch nur in diesem Moment –, dass da etwas oder jemand über den menschlichen Möglichkeiten steht. Beten hat mit ‚empowerment‘ zu tun, denn wo das Gebet menschliche Macht relativiert, da relativiert es auch menschliche Ohnmacht.“ Angesichts populistischer Tendenzen in vielen Ländern „mit ihrer neuen Lust auf starke Männer und einfache Antworten“ stelle sich die Frage, ob und wie angemaßte Allmacht und tatsächliche Ohnmacht miteinander zusammenhängen. „Wer weiß, vielleicht wird es ausgerechnet durch das Gebet möglich, in aller Vorläufigkeit und mit allem Ernst, in aller Bescheidenheit und mit Selbstbewusstsein menschliche Politik zu treiben – und Politik menschlich zu machen?“, fragte Kurschus. (MedienInfo 6/2019)

 

Bildnachweis: Bundesarchiv, Bild 194-1283-23A / Lachmann, Hans / CC-BY-SA 3.0

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