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auf einen Blick
Westfälische Landeskirche beschäftigt sich mit einem Schlüsselberuf

Pfarrdienst unter neuen Bedingungen

Pfarrerinnen und Pfarrer stehen für die Kirche wie keine andere Berufsgruppe. Die Bedingungen, unter denen sie ihren Schlüsselberuf ausüben, ändern sich rasant. Die westfälische Landeskirche hat sich in einem breit angelegten Arbeitsprozess mit dem »Pfarramt in der Dienstgemeinschaft unserer Kirche« beschäftigt. Die Ergebnisse liegen der Synode jetzt vor.

Die Mitgliederzahlen sinken, die Anforderungen steigen. Christliche Traditionen und biblisches Grundwissen sind längst nicht mehr selbstverständlich. Die Gesellschaft ist pluralistischer und multikultureller geworden, Verbindlichkeiten nehmen ab, Individualisierung nimmt zu. Gleichzeitig sind die Erwartungen hoch: Nicht nur bei Katastrophen wie einem Flugzeugabsturz ist Kirche gefragt, sondern auch in ethischen Fragen zum Beginn und zum Ende des menschlichen Lebens, zu sozialen Themen wie Armut und Ungerechtigkeit. Menschen in seelischer Not suchen und finden Hilfe bei Kirche und Diakonie.

Zum Pfarrberuf gehört einerseits eine große Freiheit, seine Zeit einzuteilen, seine Arbeit zu gestalten, eigene Schwerpunkte zu setzen. Die Kehrseite ist das Gefühl, nie fertig zu sein. Daraus kann Druck entstehen: Ich sollte, ich könnte, ich müsste doch noch mehr tun… Unter solchem Druck kann die Familie leiden, ebenso die eigene Gesundheit. Und am Ende auch die Gemeinde, die dem Pfarrer anvertraut ist.

Gottesdienst mit Taufe und Abendmahl, Seelsorge, Unterricht und auch bestimmte Leitungsaufgaben sind Kernbestand des Dienstes. »Wenn Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrer Rolle klar und stark sind, klärt und stärkt dies zugleich die anderen kirchlichen Berufe sowie das kirchliche Ehrenamt und kommt somit der gesamten kirchlichen Dienstgemeinschaft zugute.« Das war der Ausgangspunkt für Präses Annette Kurschus, um das Ziel vorzugeben: das Pfarramt und die weiteren kirchlichen Berufe zu stärken und die Rollen zwischen den Berufen sowie dem Ehrenamt weiter zu klären.

Die Frage, wie dieses Ziel zu erreichen ist, »kann weder von oben herab beantwortet noch ein für allemal entschieden werden«, sagte Präses Kurschus. Deshalb ist sie in elf großen Veranstaltungen zwischen Oktober 2016 und September 2017 mit nahezu allen 1738 westfälischen Pfarrerinnen und Pfarrern ins Gespräch gekommen. Diese Konferenzen mit jeweils eigenen Schwerpunkten waren das Rückgrat des Prozesses, an dem darüber hinaus zahlreiche Fachleute mitwirkten und zu dem auch ein wissenschaftliches Symposium gehörte.

Die wichtigsten Ergebnisse:

Seelsorge in besonderen Bereichen

Kirche handelt auch dort, wo Menschen in Extrem- und Grenzsituationen kommen, wo sie außerordentlich belastet sind, wo besondere Einschränkungen das Leben bestimmen. Pfarrerinnen und Pfarrer erfüllen eine unersetzliche Aufgabe in der Polizeiseelsorge, der Notfallseelsorge, der Seelsorge an Blinden und Gehörlosen, ebenso in Krankenhäusern und Altenheimen, in der Psychiatrie und im Maßregelvollzug. Es ist ein wesentliches Ergebnis des Arbeitsprozesses, dass diese Bereiche auch in Zukunft erhalten bleiben.

Alles Ding währt seine Zeit

Auch für einen Pfarrer hat der Tag nur 24 Stunden. Um eine gute Balance zu finden zwischen verbindlichen Diensten und freier Gestaltung, ist ein Werkzeug entwickelt worden. Unter dem Motto »Alles Ding währt seine Zeit – Pfarramt mit Maß und Ziel« steht ein Aufgabenplaner zur Verfügung, der von durchschnittlich 48 Stunden Arbeitszeit pro Woche ausgeht. Dabei sind 21 Stunden sogenannte Kontaktzeiten, also Gottesdienst, Unterricht, Besuche oder Besprechungen. Ebensoviele Stunden dienen der Vorbereitung dieser Aufgaben. Sechs Stunden sind für Fahrten vorgesehen. Dieses Instrument »führt keine Arbeitszeitregelung für Pfarrerinnen und Pfarrer ein, sondern beschreibt einen schützenden Orientierungsrahmen«, erläutert Oberkirchenrätin Petra Wallmann als Personaldezernentin.

Fortbildung und Personalentwicklung

Personalentwicklung bedeutet auch, Mitarbeitende systematisch zu fördern. Deshalb werden künftig Personalentwicklung und Fort- und Weiterbildung stärker aufeinander bezogen. Ein umfassendes Konzept der Personalentwicklung für das Pfarramt ist in Vorbereitung. »Damit wird zum ersten Mal der Berufsweg einer Pfarrerin oder eines Pfarrers in seiner Gesamtheit in den Blick genommen«, erklärt dazu Petra Wallmann. Zu dieser »lebensphasenorientierten Berufswegeplanung« gehört, dass man in regelmäßigen Abständen auf den bisherigen Weg zurückblickt und systematisch fragt, wie es weitergehen kann. Nach zehn und nach 25 Jahren gibt es ein »Bilanzkolleg«, das nicht nur den bisherigen Dienst würdigt, sondern auch Möglichkeiten der Orientierung und Weiterentwicklung aufzeigt.

Pilotprojekte für interprofessionelle Kooperation

Wo andere Berufe in Teilbereichen Aufgaben von Pfarrerinnen und Pfarrern übernehmen können, soll dies möglich sein. Voraussetzung ist die Zusammenarbeit in einem Team, das sich aus verschiedenen Berufen zusammensetzt. Solche interprofessionellen Teams können etwa entstehen, wenn in einer Gemeinde eine Pfarrstelle nicht mehr voll besetzt werden kann. Die Besetzung lässt sich dann befristet aussetzen, um einer Gemeindepädagogin oder einem Diakon zum Beispiel die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu übertragen. Dies geschieht nach einem geregelten Verfahren in Abstimmung mit den anderen Pfarrern und natürlich auch mit den Ehrenamtlichen. In Pilotprojekten sollen Zusammenarbeit und neue Aufgabenverteilung erprobt werden.

Pastoraler Dienst im Übergang

Wird in einer Gemeinde eine Pfarrstelle frei, kann es sinnvoll sein, dies für eine »Bedenkzeit« zu nutzen, in der Grundsätzliches geklärt wird. Bewegen wir uns zu sehr auf eingefahrenen Gleisen? Sind die bisherigen Schwerpunkte noch angemessen? Welche neuen Wege sollten wir gehen? Dazu ist der Pastorale Dienst im Übergang gut: Die Stelle wird zunächst nicht regulär besetzt, sondern übergangsweise durch einen Pfarrer oder eine Pfarrerin mit spezieller Qualifikation für maximal zwei Jahre – und unter der Voraussetzung, dass der »Übergangspfarrer« sich nicht auf diese Pfarrstelle bewirbt. Er unterstützt vielmehr die Gemeinde darin, sich neu zu orientieren. (Synode aktuell 5/2017)

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