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Westfälische Notfallseelsorge unterstützt weiter im Rheinland

Ein offenes Ohr bei Trauer, Wut und Ohnmacht

Das Wasser ist abgeflossen, aber die Zerstörung ist in den Flutgebieten noch allgegenwärtig. Auch diese Woche sind Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger aus der westfälischen Landeskirche wieder in den besonders betroffen Gebieten der Evangelischen Kirche im Rheinland im Einsatz. Von Erftstadt ging es in die Eifelorte Kall, Blankenheim und Hellental.

Eine Einsatzbilanz gibt es gut zwei Wochen nach der Katastrophe noch nicht. Laut Pfarrer Ralf Radix, zuständiger Referent für Notfallseelsorge bei der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), bleibt die Lage dynamisch. Im westlichen Kreis Soest, im Märkischen Kreis und im Kreis Unna wurde die Notfallseelsorge im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe besonders oft alarmiert.

Über ein konkretes Einsatz-Beispiel im „Feriendomizil Ruhrtal“ berichtet der evangelische Kirchenkreis Hattingen-Witten:  
 „Es ist wichtig, dass man seine Trauer, die Wut, die Ohnmacht irgendwo lassen kann“, sagt Ludwig Nelles. Er und seine Kollegen sind erfahrene Seelsorger – und jetzt laufen sie von Haus zu Haus, schauen nach dem Rechten, fragen, wie es so geht. „Ach, im Vergleich zu anderen hatten wir doch Glück“ – das ist so eine Antwort, die die Seelsorger ganz oft bekommen. Klar. Anderswo – da gab es Tote und Verletzte, waren Menschen tagelang vermisst, wurden ganze Häuser mitgerissen. Doch der Schmerz über den Verlust persönlicher Dinge, das Gefühl von Hilflosigkeit und der Schock über die eigene Verletzlichkeit, wenn das Wasser steigt und steigt – all das muss verarbeitet werden.


An einigen Stellen wird zwischen Zelten und Wochenendhäusern noch gearbeitet. Vor allem die Jüngeren schleppen noch Gegenstände weg, die von einem Tag auf den anderen zu Müll wurden. Auf einer Luftbildaufnahme war das ganze Ausmaß der Katastrophe zu erkennen – jetzt hat sich das Wasser wieder zurückgezogen. An den Wänden im Wohnwagen sieht man noch, wie hoch das Wasser stand. 1,50 Meter. Kühlschränke, Kommoden, Betten – alles, was niedriger ist, wurde geflutet. „Nachts habe ich das erst gar nicht als so bedrohlich empfunden“, erzählt ein älterer Herr. Wie er haben viele versucht, zu retten, woran das Herz hängt, wollten bleiben – und mussten schweren Herzens aufgeben. Das schmerzt.

„Trauer braucht Zeit"

Ludwig Nelles hört einfach nur zu. „In der Notfallseelsorge geht es nie darum, Ratschläge zu erteilen oder schnelle Lösungen anzubieten. Trauer braucht Zeit“, weiß der Gemeindepfarrer, der normalerweise in Niederwenigern arbeitet. Auch der Notfall-Seelsorger des Kirchenkreises, Oliver Gengenbach, und Pfarrer Dirk Scheuermann aus Nierenhof kennen solche Momente. „Nach der ersten Phase des Aufräumens merken die Menschen, wie müde sie sind. Körperlich. Und seelisch.“ Genau deshalb packen die Seelsorger nicht mit an, auch wenn es schwerfällt. Denn das würde unweigerlich dazu führen, dass die Betroffenen auch wieder aufspringen, räumen, sortieren. Manchmal ist Nichtstun das Richtige. Eine kurze Pause zum Sortieren der Gedanken und zum Innehalten, um dann mit dem Pläneschmieden anzufangen.
 

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