Politikertagung der Evangelischen Kirche von Westfalen: Friedensethische Fragen
Gewalt als letztes Mittel?
WESTFALEN - Präses Annette Kurschus hat davor gewarnt, in schwerwiegenden politischen Entscheidungen zu schnell von einer »ultima ratio« zu sprechen. Der Begriff - lateinisch für »letzte Vernunft« oder »letztes Mittel« – behaupte oft eine Alternativlosigkeit: »Statt Debatten zu eröffnen, schneidet er sie ab.« Was eigentlich Gewalt eindämmen sollte, erhalte so selbst beinahe etwas Gewaltsames, sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen am Freitag (21.8.) bei der Politikertagung der Evangelischen Kirche von Westfalen in Schwerte-Villigst.
Die aktuellen Flüchtlingsfragen zeigten: »Wer Gewalt übt – und sei es als letztes Mittel und in bester Absicht -, hat gewaltige Folgen zu gewärtigen.« Als Beispiele nannte Präses Kurschus Afghanistan, den Irak und den Balkan, wo westliche Staaten und die Nato unter deutscher Beteiligung Kriege geführt haben.
Missverhältnis von militärischen und zivilen Mitteln umkehren
Auch der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, erklärte: »Wir diskutieren viel zu viel über die ultima ratio eines militärischen Einsatzes. Meine Konzentration gehört der prima ratio der Prävention und gewaltfreien Konfliktbearbeitung, der Friedensbildung und Friedenskonsolidierung.«
Die Debatte über die Verantwortung Deutschlands in der Welt um Krieg und Frieden werde viel zu militärlastig geführt. Stattdessen sei es wichtig, in der Öffentlichkeit die meist wenig bekannten Instrumente der Entwicklungshilfe und der zivilen Konfliktbearbeitung besser bekannt zu machen und auch finanziell deutlich besser auszustatten. »Noch immer klafft ein erheblicher Unterschied zwischen rund 33 Milliarden Euro für die Verteidigung, den etwa zehn Milliarden Euro für die Entwicklungshilfe und den rund 34 Millionen Euro für den Zivilen Friedensdienst«, kritisierte Brahms.
Das Grundprinzip militärischer Zurückhaltung ist nach Ansicht des EKD-Friedensbeauftragten kein Heraushalten und kein Drückebergertum, sondern entspricht immer noch der geschichtlichen Verpflichtung und den Erfahrungen vergangener Jahre. »Es geht nicht um einen deutschen Sonderweg«, betonte der EKD-Friedensbeauftragte. Zur historischen Verantwortung Deutschlands gehöre es vielmehr, das Missverhältnis von militärischen und zivilen Mitteln umzukehren: Notwendig sei ein Korrektiv in der Sicherheits- und Friedenspolitik, damit sie sich »nicht allzu schnell militärischer Logik unterwirft«.
„Bisweilen kann Gewalt nur mit Gewalt beantwortet werden“
Für General a.D. Egon Ramms muss Deutschland seiner Verantwortung gerecht werden, die es als eine der stärksten Mittelmächte der Welt trägt. Aufgrund seiner Größe, Wirtschaftskraft und geostrategischen Bedeutung spiele Deutschland eine Rolle, »die es nicht erlaubt wegzusehen, denn auch wer wegsieht, trägt Verantwortung. Und bisweilen kommt man an Stellen, wo Gewalt nur mit Gewalt beantwortet werden kann – allerdings im vorgeschriebenen rechtlichen Rahmen«. So müsse die gesamte Völkerfamilie der Gewalt der »Islamischen Staates« durch gemeinsames Handeln entgegentreten.
Notwendig ist nach Überzeugung des Generals dazu aber eine Strategie, die auf längere Zeiträumen als Wahlperioden angelegt ist. Oft erfolge der Einsatz der Bundeswehr erst dann, wenn die Situation mit anderen Mitteln nicht mehr beherrscht werden könne. Die Bundeswehr sei als »Parlamentsarmee« ein Mittel der Politik. Doch diese handle meist ohne Konzept und ohne strategisches Ziel. »So stelle ich mir die Nutzung eines Mittels der Politik nicht vor«, sagte Egon Ramms. Das Problem: »Die Politik traut sich häufig nicht, der eigenen Bevölkerung die harte Realität zu sagen.«