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UCC-Forum über Gewalt und Alternativen dazu

„Den Luxus, nicht zu entscheiden, haben wir nicht“

Mit schwierigen Entscheidungen in Zeiten von Krieg und Aggression beschäftigte sich das UCC-Forum am 9. und 10. September in Haus Villigst. Waffen für die Ukraine – ja oder nein? Soll man das überfallene Land tatkräftig in seinem Selbstverteidigungsrecht bestärken oder Alternativen zur militärischen Gewalt suchen?

Für den Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Jens Lattke, gibt es solche Alternativen: „Das Ende des Friedens darf nicht das Ende der Friedenspolitik sein.“ Es sei nicht Aufgabe der Kirche, militärische Gewalt zu legitimieren – „auch dann nicht, wenn wir nicht wissen, wie Gewalt zu beenden ist.“ Das biblische Leitbild des gerechten Friedens stehe in der Ukraine in besonders krassem Widerspruch zur Wirklichkeit. „Wenn wir sagen, das Töten, das Sterben und die Zerstörung muss so schnell wie möglich enden, es braucht einen Waffenstillstand jetzt – wieviel Unrecht sind wir dann bereit für einen Frieden in der Ukraine zu akzeptieren?“, so der Politologe und Diakon. „Oder in die andere Richtung gefragt: Wenn wir militärische Gewalt als Antwort auf die Aggression befürworten – gar als notwendig erachten: Ist es möglich, dass genau diese Form des Kampfes gegen Ungerechtigkeit den Krieg andauern lässt und selbst Leid und Zerstörung verursacht?“

Eine weitere Frage: Welche Ziele in diesem ungerechten Krieg haben Priorität? Sieg um jeden Preis, territoriale Integrität, staatliche Selbstbestimmung oder die eigenen Werte? Wenn man auf eine militärische Lösung setze, sei unbedingt die Frage zu beantworten, wie ein durch militärische Gewalt erzwungener Frieden so gestaltet werden kann, dass ein versöhntes Miteinander möglich wird. Die russische Regierung ordne alles ihrem Machtstreben unter und gebe jede Ehrfurcht vor dem Leben auf – ein großes Unrecht, das durch nichts zu rechtfertigen sei. „Doch“, so fragte der Referent, „müssen wir dieser Gewaltlogik folgen?“

Zur Absage an militärische Gewalt gehöre „das engagierte Eintreten für eine gute und realisierbare Friedenspraxis.“ Gewaltfreier Widerstand, ziviler Ungehorsam, Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen und Verhandlungslösungen seien die besseren Optionen. Aber wie das angesichts von Putins Brutalität, Wortbrüchen und Lügen funktionieren soll, wusste auch Jens Lattke nicht zu sagen.

Sven Giegold entscheidet als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima mit über Waffenexporte an die Ukraine. Er hatte seine Teilnahme absagen müssen, deshalb bezog man sich auf ein Interview mit ihm. Der evangelische Christ Giegold bekennt, das Handeln in der Welt sei für ihn ohne das Fundament des Glaubens nicht denkbar. Er weiß um das Risiko falscher Entscheidungen: „Aber den Luxus, nicht zu entscheiden, haben wir nicht.“ Dabei bezieht er sich auf Dietrich Bonhoeffer, dem im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur klar wurde, dass Schuld unvermeidlich ist. Giegold: „Sich in Unklarheit oder Schweigen zu hüllen, fände ich gerade als Christ auch falsch und feige.“ Deshalb, so seine Haltung, sind Waffenlieferungen geboten – mit Blick auf die unschuldigen Opfer der Aggression. Aber diese Entscheidung sollte man nicht im Brustton der Überzeugung vor sich hertragen: „Es bleibt für mich immer der Zweifel. Und natürlich die Suche nach Wegen zum Frieden, die bei allem militärischen Handeln immer bleiben muss.“

Der amerikanische Pfarrer Chip Jahn aus Indiana berichtete über seinen Einsatz gegen Gewalt im Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singhalesen in Sri Lanka.

Die Kirchengemeinschaft zwischen der westfälischen Landeskirche und den Bezirken Indiana/Kentucky und Ohio der United Church of Christ (UCC) ist der Rahmen für das regelmäßige UCC-Forum, bei dem sich Christen aus den USA und Westfalen über aktuelle Themen austauschen. Rund 40 Personen nahmen an der Tagung teil, darunter acht Gäste von der UCC.

Von Andreas Duderstedt

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