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70 Jahre Bund evangelischer Religionslehrerinnen und –lehrer an den Gymnasien und Gesamtschulen in Westfalen und Lippe

Die Religionsvermittler

Der Religionsunterricht an Schulen wird sich stark verändern. Nach Meinung des Religionspädagogen Bernd Schröder werden dabei künftig die Begegnung und das Gespräch mit anderen Religionen und Weltanschauungen im Mittelpunkt stehen. Nur so könne es gelingen, jungen Menschen Religion als möglichen und sinnvollen Lebensstil aufzuzeigen.

Schröder, der Professor für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Religionspädagogik und Bildungsforschung an der Georg-August-Universität Göttingen ist, sprach bei der Jubiläumsveranstaltung »70 Jahre Bund evangelischer Religionslehrerinnen und -lehrer an den Gymnasien und Gesamtschulen in Westfalen und Lippe« in Haus Villigst in Schwerte.

Die Veränderung im Religionsunterricht machte Schröder dabei an der Geschichte des Lehrergremiums  deutlich: »Der Bund wurde vor 70 Jahren  gegründet, um die Inhalte des schulischen Religionsunterrichts stärker an die Lehre der evangelischen Kirche anzubinden«, sagte der Bildungsexperte. Heute, so Schröder, könne man froh sein, wenn evangelischer und katholischer Religionsunterricht noch gemeinsam Gehör bei Schülerinnen und Schülern finde.

In einer Zeit, in der die Konfessionslosen bereits die stärkste weltanschauliche Gruppe in Deutschland darstellten – rund 30 Prozent der Bevölkerung, römisch-katholisch und evangelisch jeweils unter 25 Prozent – ist nach Ansicht des Göttinger Professors zu erwarten, dass Jugendliche in Zukunft in ihren Familien immer weniger christlich sozialisiert würden oder gar zur Kirche geschickt würden. Umso wichtiger sei die Begegnung mit dem Lebenselement »Religion« in den Schulen.

Dabei sei es eine Chance, wenn die christlichen Konfessionen ihre Kräfte und Ressourcen bündelten, so Schröder. Lehrerwechsel zwischen evangelisch und katholisch sei ebenso eine Möglichkeit, Religionsunterricht sinnvoll zu gestalten wie etwa die Aufteilung in verschiedene Phasen. Ebenfalls könnten weitere christliche Konfessionen aufgenommen werden. »In anderen Gegenden der Erde boomt das Christentum. Daraus kann man Honig saugen«, meinte Schröder. So könne im Religionsunterricht eine breite Palette an christlichen Bekenntnisrichtungen aufgenommen werden.

»Wir haben Mennoniten in Deutschland, vor allem durch die Russlanddeutschen. Es gibt orthodoxe Christinnen und Christen, liberale und fromme.« Statt sich im Religionsunterricht zu früh abzugrenzen, sei die lebendige Begegnung mit anderen Spielarten des Glaubens wichtig. »Es kommt darauf an, dass junge Menschen erkennen, dass Religion und Glaube überhaupt noch ein Lebensstil ist, der ernstgenommen werden kann und der etwas bringt«, so Schröder.

Das gelte auch für die Begegnung mit anderen Religionen: »20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat einen Migrationshintergrund«, führte Schröder aus. »Es kann doch nicht sein, dass sich ein christlicher Schüler an der Schule nicht mit einer muslimischen Schülerin über Gott und die Welt austauscht«, so Schröder. »Wenn die beiden das nicht im Religionsunterricht tun – woanders werden sie dazu in der heutigen Gesellschaft kaum eine Chance dazu finden.«

Der Göttinger Hochschullehrer warb für einen geschichteten Aufbau des künftigen Religionsunterrichts: Bis zur Religionsmündigkeit der Schülerinnen und Schüler solle das Gewicht auf die »Identität« im Glauben liegen. Dort könnte das grundlegend Christliche vermittelt werden. Nach der Religionsmündigkeit solle dann stärker die beschriebene »Verständigung« in konfessionell-kooperativer und interreligiöser Gestalt auf dem Stundenplan stehen.

Dabei sei es wichtig, dass sich auch Lehrerinnen und Lehrer ihre Religiosität offen zeigten. »Es kommt auf die transparente Positionalität an«, so Schröder. »Die Lehrkraft muss sich mit ihrer Person einbringen, damit Religion und Glaube glaubwürdig erscheinen.« Hier, so bescheinigte der Göttinger Bildungsexperte der versammelten Festgemeinde, habe der Bund evangelischer Religionslehrerinnen und –lehrer auch 70 Jahre nach seiner Gründung eine echte Aufgabe und Daseinsberechtigung. (gmh)

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