Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!
- Jahreslosung 2021
Präses Annette Kurschus zum Jahresbeginn 2021

Neue Anfänge wagen

Und jedem Anfang“, heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse, „wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“ Manche beschwören die Zauberkraft des Anfangs alle Jahre wieder – pünktlich zum 1. Januar.

Da werden hehre Pläne geschmiedet, gute Vorsätze gefasst, große Ziele in Angriff genommen – als sei das neue Jahr eine Art unbeschriebenes Blatt, auf dem man sich gewissermaßen ganz neu erfinden kann. Lästige Schrullen ablegen, schlechte Angewohnheiten über Bord werfen, bequeme Ausreden hinter sich lassen – immer wieder diese beinahe rührende Idee, es könnte plötzlich alles anders werden, nur weil sich die Jahreszahl ändert.

Aller Anfang, das weiß der Volksmund, ist aber auch schwer. Bleibt schwer, immer neu. Egal, wie und wo und womit man anfängt: Immer bringt man mindestens sich selber schon mit. Wo immer man hinkommt und was immer man tut: Immer schon gibt es etwas oder jemanden, das oder der oder die vorher da waren. Und vor denen, die vor uns waren, waren auch welche. Und immer so weiter.

Echte Anfänge kriegen wir selten hin und selten zu sehen. Mittendrin, da kennen wir uns in der Regel wesentlich besser aus. Ob wir wollen oder nicht: Wir stecken mittendrin in lauter alten Geschichten. In Geschichten von Vertrauen und Liebe, zum Wundern und zum Staunen. In Geschichten, die wir nicht begonnen haben und in denen wir doch leben dürfen, die uns umgeben wie ein wärmender Mantel. Gott sei Dank! Auch Geschichten von Schuld und Streit und Misslingen tragen wir mit uns herum. Elende und mühsame Geschichten, mit denen wir nicht fertig werden. In jeden neuen Anfang schleppen wir sie mit.

 

Die Krise hat uns gezeigt, wie absurd es ist zu meinen, wir seien Herrinnen und Herren unserer Tage und könnten bis auf Jahre hinaus unser Tun und Lassen planen. Womöglich kommen wir auf heilsame Weise unserem menschlichen Maß auf die Spur.

Präses Annette Kurschus Präses Annette Kurschus

Das Jahr, das soeben begonnen hat, wird in besonderer Weise gezeichnet sein von dem Jahr, das gerade vergangen ist. Wer könnte und wollte da so einfach neu anfangen? Auf nie gekannte Weise haben wir gespürt, wie verletzlich unser Leben ist – und wie wenig wir´s in der eigenen Hand haben. Das wird uns vorsichtig machen. Hoffentlich in manchem weise. Viele vermeintliche Selbstverständlichkeiten werden wir neu hinterfragen. Und uns über manche scheinbar kleine Geste neu freuen. Die Krise hat uns gezeigt, wie absurd es ist zu meinen, wir seien Herrinnen und Herren unserer Tage und könnten bis auf Jahre hinaus unser Tun und Lassen planen. Womöglich kommen wir auf heilsame Weise unserem menschlichen Maß auf die Spur. Wir werden weiterhin neue Anfänge wagen, wie sollte es anders sein? Wir werden weiterhin Termine in unsere Kalender eintragen, als ließe sich planen. Und: Wir werden es anders tun als bisher. Weniger sicher, viel flexibler, stets auf der Hut, es könnte womöglich anders kommen – und immer voller Hoffnung, dass es selbst dann „irgendwie“ gehen wird.

„Gottes Güte ist jeden Morgen neu“, heißt es in der Bibel.

Für Menschen wie mich, die sich immer wieder schwertun mit dem Anfang eines neuen Jahres, ist das eine gute Gewissheit. Mitten in dem seltsamen “Anfangskater“, der mich regelmäßig im Januar beschleicht, ahne ich: Jeder Tag ist ein neuer Anfang, den Gott mir schenkt. Da muss nicht alles anders werden, nicht alles neu, erst recht nicht alles „sehr gut“. Aber ich stehe auf und bin in ein neues Heute gestellt. Mit allem, was mir heute – vom Morgen bis zum Abend – mit meinen begrenzten Kräften möglich sein wird. Das klingt, als sei es zu schaffen. Das rückt alles Anfangen in ein freundliches, hoffnungsvolles Maß. Und das seltsame Katergefühl weicht sachte einer zuversichtlichen Neugier. In diesem Sinne: Ein gesegnetes Heute – und das 365 Mal im Jahr 2021.

Präses Annette Kurschus

(Aus dem evangelischen Magazin Chrismon)

Jahreslosung 2021

Die Jahreslosungen

Die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB) wählt aus dem von ihr erstellten ökumenischen Bibelleseplan des jeweiligen Jahres ein Bibelwort als Jahreslosung aus.
Die Losung wird immer drei Jahre im Voraus bestimmt. Die erste Losung wurde 1930 ausgewählt.

Jahreslosungen bei der ÖAB

Jahreslosungen

Über Monate hinweg schien es nur eine einzige Gefahr zu geben, der unsere gesammelte Aufmerksamkeit galt.
Wer mag währenddessen unser Erbarmen vermisst haben – ganz in der Nähe und in der weiten Welt? Wem bin ich selbst Barmherzigkeit schuldig geblieben in all dem Nachdenken über Abstands-, Hygiene- und Mundschutzregeln?

„Denn sein Zorn währet einen Augenblick, und lebenslang seine Gnade“, heißt es im 30. Psalm (Psalm 30,6).
Gottes Ja ist größer als sein Nein: Dafür steht Jesus Christus mit seinem Leben und Sterben – und seinem Auferwecktsein aus dem Tod. Gott sagt ja – sogar durch Sterben und Tod hindurch: Vom diesem Überschuss der göttlichen Gnade leben wir.
Im besten Fall macht dieser Überschuss der göttlichen Gnade uns barmherzig mit anderen. Und weitet unseren persönlichen und öffentlichen Blick hoffentlich im neuen Jahr endlich wieder über dieses tückische Virus hinaus.

-- Präses Annette Kurschus zur Jahreslosung 2021

Zum Jahreswechsel streamte die Martini-Kirchengemeinde Siegen einen Kantatengottesdienst mit dem Bach-Chor Siegen zur Bach-Kantate „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“ (BWV 84). Die Predigt hielt Präses Annette Kurschus.

Gebärdensprache