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Präses Annette Kurschus über Pfingsten als Kommunikationswunder

Erschreckend beflügelnd

BIELEFELD - Am Anfang des ersten Pfingstfestes vor beinahe 2000 Jahren stand ein riesiger Schrecken.

Keine Freude über den Heiligen Geist.
Kein Jubel über seine beflügelnde Kraft.
Keine Feier zum »Geburtstag der Kirche«.
Die damals dabei waren zu Pfingsten in Jerusalem, die waren ratlos.
Ein jeder hörte die Jünger Jesu in seiner eigenen Sprache reden.
Darüber sind sie am ersten Pfingstfest fürchterlich erschrocken.
Es war ihnen unheimlich.
Seltsam eigentlich. Kaum etwas wünschen wir uns in der Kirche sehnlicher als dies: Dass uns alle verstehen. Dass sich alle angesprochen fühlen von unserer Botschaft.

Ein jeder hörte die Jünger Jesu in seiner eigenen Sprache reden.
Grandios. Was könnte uns, die wir heute vom christlichen Glauben reden, Besseres geschehen? Und warum waren sie damals in Jerusalem darüber so bestürzt?

Das erste Pfingstfest war nach allem, was wir aus der Bibel erfahren, ein echtes Kommunikationswunder.
Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, Religionen und Generationen waren im Tempel beieinander. Die Jünger redeten von den Taten, die Jesus getan hatte. Von Gottes Kraft, an die sie glaubten. Und all die vielen fremden Menschen verstanden sie. Mehr noch: Sie hörten das, was die Jünger erzählten, jeweils in ihrer eigenen Muttersprache.

Vielleicht besteht der riesige Pfingstschrecken bis heute darin, dass sich niemand mehr einfach entziehen kann. So, als ginge Gott ihn oder sie nichts an.
Was die Jünger erzählen, rückt den Menschen hautnah auf den Leib.
Gott bekommt es unmittelbar mit ihnen zu tun.
Sie spüren: Ich bin angeredet. Ich bin gefragt.
Plötzlich geraten diejenigen mit Gottes Worten und Taten in Berührung, die nicht im entferntesten damit gerechnet hatten; diejenigen, die nicht zur Gemeinde gehören, die nichts mit Jesus am Hut haben; auch alle, die dem Glauben abwartend gegenüberstehen und nichts von Gott wissen wollten. Sie hören von ihm reden. Und zwar so, dass es ihnen persönlich zu Herzen geht.
Na klar: Das erschreckt. Und wie.

Weil es aus der Reserve lockt. Weil die eigenen Vorbehalte und vermeintlich klugen Fragen, hinter denen wir uns bisweilen sehr bequem verschanzen, auf einmal als Ausreden entlarvt sind. Diese wohlfeilen Sätze, die ich von mir selber kenne: »Es ist ja letztlich doch alles hoffnungslos. Mich versteht keiner. Was kann ich schon ausrichten?«
Wo Gottes Worte und Taten mir auf den Leib rücken, gelten solche Sätze nicht mehr. Da ahne ich: Sehr viel kann ich ausrichten, wenn ich wirklich auf Gott vertraue und mit seiner Kraft rechne!
Eine Art heiliger Schrecken ist es, mit dem das erste Pfingstfest begann. Ich wünsche mir, dass er auch mich erfasst und nicht loslässt, dass er mir Beine macht, dass er mir das Herz und den Mund öffnet und die Hände erfinderisch werden lässt – damit andere auch durch mich etwas spüren von Gottes Worten und Taten.
In diesem Sinne: Ein erschreckend beflügelndes Pfingstfest!

- Präses Annette Kurschus zum Pfingstfest 2015.

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