Quo vadis? Studienkonferenz über den künftigen Weg der Kirche
„Organisationsformen haben keinen Anspruch auf Ewigkeit“
MedienInfo 7/2019
Die evangelische Kirche wird nach Überzeugung von Vizepräsident Ulf Schlüter in Zukunft viel stärker beispielhaft arbeiten, Kräfte bündeln und Orte mit Ausstrahlung schaffen. Es sei nicht sinnvoll und künftig auch nicht mehr möglich, in kirchlicher Arbeit allerorten alles gleich abzubilden, sagte der Theologische Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen am Montag (4.2.) in Schwerte-Villigst.
Organisation sei notwendig, aber kein Selbstzweck, so Schlüter. „Organisationsformen haben keinen Anspruch auf Ewigkeit“. Verfassungsebenen, Kirchenordnungen, Gemeinde- und Landeskirchengrenzen seien etwas Vorläufiges. „Die evangelische Kirche wird ihren Weg finden, wenn sie mutig daran geht, sich zu verändern, um ihrem Auftrag nachzukommen: den Menschen das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen.“ Dazu seien die enormen Möglichkeiten der Kommunikation, die Kirche derzeit hat, zu nutzen. Zu diesem Kommunikationspotenzial zählen für Schlüter akademisch gebildete, verbeamtete Pfarrer ebenso wie Dorfkirchen und Kathedralen, Kindergärten und der Religionsunterricht, Krankenhäuser und Altenheime. Außerdem sei die große Mehrheit der Mitglieder ernst zu nehmen, die sich ihrer Kirche wenig verbunden fühlen. Sie wollten an zentralen Stationen des Lebens – wie Taufe, Trauung, Bestattung – persönliche Begleitung erfahren.
Für Dr. Christian Grethlein, Professor für Praktische Theologie in Münster, passen die herkömmlichen kirchlichen Strukturen heute nicht mehr zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Das flächendeckende Prinzip der örtlichen Kirchengemeinden stamme aus der Zeit Karls des Großen. Angesichts wachsender Mobilität, so Grethlein, sei dieses Prinzip nicht mehr angemessen. Menschen legen oft große Entfernungen zum Arbeitsplatz zurück, Ausbildung, Studium und berufliche Wechsel erfordern häufig Umzüge. Folge: Die Bindung an eine Ortsgemeinde nehme ab. Wer dann woanders kirchlich heiraten oder sein Kind taufen lassen will, verursacht einen Verwaltungsakt – das wiederum führe dazu, dass Kirche als „staatsanaloge Verwaltungsbehörde“ erlebt werde. Für Professor Grethlein wird und soll sich Kirche weg von der Institution und hin zu einer Bewegung entwickeln.
Vier Einrichtungen der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) hatten unter dem Titel „Quo vadis, Kirche?“ zu einer Studienkonferenz für Haupt- und Ehrenamtliche nach Haus Villigst in Schwerte eingeladen: das Evangelische Erwachsenenbildungswerk, das Institut für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste, das Pädagogische Institut und die Evangelische Akademie. Rund hundert Personen folgten dieser Einladung.