Diskussion über Zuwanderung
„Wir sind keine integrierte Gesellschaft“
Die Zuwanderung aus EU-Staaten im Zuge des freien Arbeitsmarktes stand im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion am Donnerstag, an der aus Dortmunder Sicht Stadträtin Birgit Zoerner und Diakonie-Geschäftsführerin Uta Schütte-Haermeyer teilnahmen. Ort war das Thyssen-Krupp-Info-Center im Dortmunder Norden.
Als wichtiges Kommunikationsziel postulierten die Podiums-Teilnehmer einhellig, in der Debatte über Zuwanderung die Gruppe der Geflüchteten und diejenige der EU-Migranten zu trennen. Das, so die Beobachtung, gelinge in der öffentlichen, auch der medialen Diskussion häufig nicht.
Dabei seien die Problemlagen deutlich unterschiedlich, sagte Diakonie-Chefin Uta Schütte-Haermeyer. Während für Geflüchtete in der Regel Leistungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz griffen, fielen EU-Migranten häufig durch alle sozialen Raster. Schon in ihren Heimatländern – vornehmlich Bulgarien und Rumänien – zählten die meisten zu einer sozial unterprivilegierten Gruppe. Das Bildungsniveau sei sehr niedrig, die Voraussetzungen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, kaum gegeben.
Die Folge: „Wir sind konfrontiert mit Armutssituationen, die ich zuvor nur aus Geschichtsbüchern kannte“, so Schütte-Haermeyer. Sie stellte das Dortmunder Diakonie-Projekt „Heimat Europa“ vor, das schon vor der Flüchtlingswelle 2015 ins Leben gerufen worden war und niederschwellige Angebote für die Gruppe der Migranten aus östlichen EU-Ländern bietet. Finanziert werde das Projekt fast ausschließlich aus Fördermitteln, deren Akquise aufwändig sei, beklagte Schütte-Haermeyer. Sie äußerte die Hoffnung, die Arbeit künftig umfangreicher aus kommunalen Mitteln tragen zu können.
Auf die kritische Sicht auf die Problemfelder aus weiten Kreisen der Bevölkerung ging die Berliner Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan in einem Referat ein. Sie forderte, Förderungen für Migranten mit Parallelförderungen für andere Bevölkerungsgruppen zu koppeln. Es gehe nicht darum, neu hinzugekommene Gruppen in eine problemfreie Gesellschaft zu integrieren. „Wir sind keine integrierte Gesellschaft“, sagte Schwan. Vielmehr seien soziale Probleme auch in anderen Teilbereichen der Gesellschaft ernst zu nehmen. Gefühle von erlebter Ungerechtigkeit müssten aussprechbar sein und nicht in Sinne von postulierter Solidarität moralisch belegt werden.
So sei gesellschaftliche Integration stets ein vielschichtiger, wechselseitiger Prozess. Gesellschaftlicher Wandel könne nur mit weitgehender Beteiligung gelingen. Dabei komme den kommunalen Ebenen heute weit größere Bedeutung als der Bundespolitik zu.