Flüchtlinge, fair produzierte Kleidung, Klimawandel, Armut
Weite wirkt: Themen von globaler Bedeutung
Auf dem Weite wirkt-Festival in Halle/Westfalen standen am Samstag (7.5.) vormittags in vier großen Foren Themen von globaler Bedeutung auf dem Programm: Flüchtlinge, Produktionsbedingungen von Kleidung, Klimawandel, Armut und Gerechtigkeit. Auf Einladung der Evangelischen Kirche von Westfalen gibt es im Gerry-Weber-Stadion ein Wochenende lang zahlreiche Veranstaltungen mit prominenten Gästen aus Deutschland und aus aller Welt, berühmten Künstlern, Musik und Kultur.
Forum »Menschen Zuflucht und Heimat geben – wie schaffen wir das?«
Bundesminister Peter Altmaier erklärte: »Wir müssen unsere Hilfe auf diejenigen konzentrieren, die in der größten Not sind.« Aus sicheren Herkunftsländern wie Mazedonien dürfe die Einreise nach Deutschland nicht über das Asylrecht erfolgen. Doch allen, die hier ankommen, »helfen wir, einen Arbeitsplatz zu finden«. Die Zusammenarbeit mit der Türkei bedeute nicht, die Menschenrechtsverletzungen dort zu akzeptieren.
Doris Peschke widersprach: »Das Asylrecht wird gefährdet, wenn wir Länder für sicher erklären, die es nicht sind.« Die Direktorin der ökumenischen Organisation CCME (Brüssel), die sich für eine gerechte Flüchtlingspolitik einsetzt, ist überzeugt, dass die Unterscheidung nach Herkunftsländern ungezählten Menschen den Zugang zum Asylrecht verwehrt.
Volker Maria Hügel von Pro Asyl brandmarkte diese Unterscheidung: »Das Motto ‚Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen‘ ist menschenverachtend.« Zur Integration gehörten nicht nur Sprache, Arbeitsplatz und Wohnung, sondern: »Die Menschen müssen wissen dürfen: Ich bin angekommen. Schutz auf Zeit ist nicht integrationsförderlich. Wir müssen wegkommen vom Abwehrrecht, weg von dem Denken: Der Ausländer ist erstmal ein Problem.«
Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte die starke Einschränkung des Familiennachzugs von Flüchtlingen. Manche, etwa in Syrien, hätten dafür schon mit ihrem Leben bezahlt. »Als Kirchen treten wir dafür ein, dass Menschen Hilfe bekommen, die in ganz unmittelbarer Not sind.« Außerdem sei das lange, fruchtlose Warten der hier Angekommenen auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge eine Vergeudung wertvoller Integrationsmöglichkeiten: »Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man in den Unterkünften rumsitzt und nicht weiß, was wird und nichts zur Gesellschaft beitragen darf.«
Forum: »Chic, billig, aber für welchen Preis?«
Die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken in den Billiglohnländern sind seit Jahrzehnten bekannt: Löhne unter dem Existenzminimum, überlange Arbeitszeiten, keine freie gewerkschaftliche Betätigung, gefährliche Arbeitsplätze. Um diese Zustände in der gesamten textilen Produktionskette nachhaltig zu verbessern, hat Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller ein »Bündnis für nachhaltige Textilien« (<link http: www.textilbuendnis.com de>www.textilbuendnis.com/de/) ins Leben gerufen. Für den Unternehmensgründer des ostwestfälischen Modekonzerns GERRY WEBER International AG in Halle/Westfalen, Gerhard Weber (74), gehören die Einhaltung sozialer Standards schon seit Jahrzehnten zur Firmenphilosophie: »Jeder Betrieb, der für uns arbeitet, wird erst einmal von uns auf Herz und Nieren geprüft.« Dabei gehe es nicht um zusätzliche, sondern um eigene Standards der GERRY WEBER International AG, außerdem um die vorgegebenen Richtlinien. Diese würden von eigenen Mitarbeitern regelmäßig beobachtet und hinsichtlich der Umsetzung auch geprüft. Die GERRY WEBER International AG ist seit kurzem Mitglied im Textilbündnis.
Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza am 24. April 2013 in Bangladesch, bei dem über 1.100 Menschen starben, war der traurige Anlass zur Gründung des Textilbündnisses. Inzwischen verfolgen seine über 180 Mitglieder das gleiche Ziel: Sie wollen soziale und ökologische Standards anheben und sichern. Bereits 55 Prozent der deutschen Textilproduzenten und -händler seien inzwischen beigetreten, so Dr. Bernhard Felmberg vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Dr. Sabine Ferenschild (Südwind-Institut/Kampagne für Saubere Kleidung) ist das allerdings nicht genug: »Wir brauchen noch mehr gemeinsame Anstrengungen.« Nicht nur die Produzenten, sondern auch die Händler müssten stärker in die Pflicht genommen werden. Zu niedrige Löhne, mangelnde Überstundenentlohnung und fehlende Arbeitsverträge seien politische, nicht nur wirtschaftliche Probleme.
Und für Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller, Ökumene-Dezernent der westfälischen Landeskirche, ist jegliche Form der Ausbeutung mit dem Evangelium unvereinbar. Denn als Abbild Gottes habe jeder Mensch das Recht auf ein Leben in Würde. Gegen menschenunwürdige, unfaire Arbeitsbedingungen müsse Kirche sich klar positionieren, schon Jugendliche sensibilisieren und Vorbildfunktion übernehmen. Dass die Marktmacht von Kirche und Diakonie nicht zu unterschätzensei, zeige die Aktion »Zukunft einkaufen!« (<link http: www.zukunft-einkaufen.de>www.zukunft-einkaufen.de).
Forum: »Klimagerechtigkeit jetzt!«
»Wir brauchen eine neue Energiegerechtigkeit, die den Völkern des Südens auf nachhaltige Weise Zugang zu den benötigten Energiedienstleistungen eröffnet«, erklärte der frühere EKD-Ratsvorsitzende Dr. Wolfgang Huber: »Energiesparen muss als Energiequelle entdeckt und entschlossen gefördert werden.« Ein höherer Energieverbrauch dürfe nicht länger als Zeichen für Wohlstand gesehen werden: »Das Bruttoinlandsprodukt vernachlässigt den ökologischen Fußabdruck.«
Der frühere Umweltminister Dr. Klaus Töpfer forderte, erneuerbare Energien zu globalisieren: »Diese Technik muss so entwickelt werden, dass wir sie rund um die Welt nutzen können«, sagte der ehemalige Diektor des UN-Umweltprogramms. »Die Welt wird mehr Energie brauchen, wenn wir die Armut überwinden wollen. Wenn die globale Klimawende nicht gelingt, werden wir keine friedliche Welt haben.«
Entsprechend verwies Professor Dr. Marc Swilling von der Universität Stellenbosch/Südafrika auf das existenzielle Interesse der ganzen Menschheit daran, dass der künftige Energiebedarf Afrikas mit erneuerbaren Energien gedeckt wird. »Afrika mit seiner stark wachsenden Bevölkerung kann nur auf nichtfossile Energie setzen – wenn nicht, sind die in Paris vereinbarten Klimaziele nicht erreichbar.« Für die Bewohner von Slums, die bisher kaum Zugang zu Energie haben, sei Solarenergie die einzige zukunftsweisende Möglichkeit.
So sah das auch Dr. Claudia Warning von Brot für die Welt: »Wenn es gelingt, Coca Cola ins letzte Dorf der Welt zu bringen, muss das mit erneuerbarer Energie auch möglich sein.« Dabei müsse die Energiewirtschaft aber mitspielen. Der Klimawandel treffe in erster Linie die Armen, und zwar schlimmstenfalls tödlich.
NRW-Umweltminister Johannes Remmel sieht für sein Bundesland in der Energiepolitik große Möglichkeiten für die Zukunft - »wenn nicht hier, wo sonst?« Es gebe aber auch eine besondere Verantwortung: »Nordrhein-Westfalen hat aufzuholen ohne Ende. Der Weg in die erneuerbaren Energien ist für uns zwingend.« Und: »Das Geld für Energieeinsparen liegt auf er Straße.« Energie sei Gemeineigentum und sollte genossenschaftlich bewirtschaftet werden.
Forum: »Glaube befreit zu solidarischem Handeln weltweit«
Vertreter ökumenischer Partnerkirchen präsentierten hier ihre ganz eigenen »Leuchtturmprojekte« solidarischen Handelns. Zum Beispiel das kirchlich initiierte Sozialprojekt »Basic Income Grant« (BIG), das jedem Bürger in Namibia die bedingungslose Auszahlung eines monatlichen Grundeinkommens zusichern soll. Für Altbischof Dr. Zephania Kameeta, heute Minister für Armutsbekämpfung, ein Zeichen von »Gerechtigkeit, Solidarität und gerechter Verteilung der Chancen auf dieser Erde«.
Minister Kameeta arbeitet dafür, dass aus dem Pilotprojekt in dem Dorf Otjivarengo geltendes Recht im ganzen Land wird. Weitere Beispiele, wie Christen in ihren Ländern die Welt ein kleines Stück verbessern können, sind das von der westfälischen Landeskirche angestoßene Projekt »Kirche und Wirtschaft gegen HIV und Aids« (Südafrika), das Engagement der italienischen Waldenserkirche für Flüchtlinge und die Sozialprojekte für Kindersoldaten und vergewaltigte Frauen im Kongo.