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Schulleiterinnen und Schulleiter an Berufskollegs tagten in Villigst

»… und die Maloche war sehr gut!«

SCHWERTE-VILLIGST - Am vergangen Mittwoch hatte die Evangelische Kirche von Westfalen durch ihr Pädagogisches Institut die Schulleitungen der westfälischen Berufskollegs nach Haus Villigst eingeladen. Unter der Überschrift »Ich schraube, also bin ich« wurde der Frage nachgegangen, wie sich »Arbeit – Beruf – Identität – Leben« in den Arbeitskontexten der Gegenwart (Stichwort Industrie 4.0) zueinander verhalten.

Gott malocht

In ihrem Impulsvortrag brachte die leitende Theologin der Ev. Kirche von Westfalen, Präses Annette Kurschus, das Novum der biblischen Auffassung von Arbeit auf den Punkt: »Der Gott Israels arbeitet. Er malocht geradezu. Das hebräische Wort malacha für Arbeit wird ausdrücklich für Gott selbst angewendet.« Während in den Schöpfungsmythen des Alten Orient sowie in der griechisch-römischen Antike ›Arbeit‘ generell ›Sklavenarbeit‹ ist, entweder im Dienst der Götter oder der herrschenden politischen Klasse, wird der Mensch in der biblischen Tradition zum Mitarbeiter Gottes.
In der Bibel, aber dann auch im Arbeits- und Berufsverständnis Martin Luthers, korrespondiere ein doppeltes ›Nein‹ zur Erniedrigung des Menschen durch Arbeit und der Ansicht, der Mensch würde erst durch die Arbeit zum Menschen mit einem doppelten ›Ja‹: Der Lebenssinn ist bereits durch Gottes Fürsorge und Vorsorge bestimmt. Und: Jeder Mensch ist dazu berufen durch seine Arbeit, seinen Beruf, Gott und dem Nächsten zu dienen. Und dabei ist nach Luther die Unterscheidung zwischen ›geistlichen‹ und ›profanen‹ Tätigkeiten grundsätzlich aufgehoben.

Doch, so fragte Präses Kurschus am Ende ihres Vortrages, wie kann ich darüber mit jungen Erwachsenen im Berufskolleg angesichts der Brüchigkeit moderner Berufsbiografien ins Gespräch kommen? »Mit der Lebendigkeit einer Tradition bekannt zu werden, die den Wert des Menschen zuerst und zuletzt nicht über seine Leistung, sondern über Gottes Zuwendung definiert – und die deshalb jedem Menschen eine Aufgabe und einen selbstverständlichen Platz im Gemeinwesen einräumt: Das scheint mir nicht das schlechteste Weggepäck für Jugendliche und junge Erwachsene in den engen Strukturen unserer Leistungsgesellschaft zu sein«, so die ermutigenden Worte der Präses an die Gäste.

Vertrauen in die Berufskollegs

Was es heißt, damit ernst zu machen, zeigte auf eindrucksvolle Weise die zweite Gesprächsrunde, die durch Impulse der Ministerialdirigentin im Ministerium für Schule und Weiterbildung, Dr. Beate Scheffler, eingeleitet wurde. Auf dem Hintergrund der aktuellen politischen Ereignisse, dem Ansturm an Flüchtlingen auf die nordrhein-westfälischen Schulen, der Einrichtung von ›Internationalen Förderklassen‹  gerade auch an den Berufskollegs strich Frau Dr. Scheffler kurzerhand einen Großteil ihres mitgebrachten Referats und stellte sich den aktuellen Fragen, Sorgen und Wünschen der Schulleiterinnen und Schulleiter. Die Heterogenität der Lerngruppen, Sprachprobleme, aber auch soziale und gesundheitliche Belastungen verlangen von den Schulen einen außerordentlichen Einsatz, den sie aber auch einzubringen bereit sind. »Setzen Sie Vertrauen in die Berufskollegs«, so der Originalton eines Schulleiters. Zugleich machten die Schulleiter_innen aber auch deutlich, dass sie niederschwellige, unbürokratische Verfahren benötigen, um den jungen Menschen möglichst schnell gerecht werden zu können. Zugleich war auch der Wunsch nach mehr Unterstützung durch Schulsozialarbeit nicht zu überhören.

Schule der Persönlichkeit

Prof. Dr. Andreas Obermann, stellv. Leiter des Bonner evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor) knüpfte mit seinem Vortrag  »Im Beruf Leben finden. Der Beitrag religiöser Bildung zur Erlangung beruflicher Handlungsfähigkeit« an die Ausführungen von Präses Kurschus an, dass der Beruf schon immer einen äußeren Aspekt (der Ruf = Image) und einen inneren Aspekt (Ausdruck einer inneren Berufung = Teil der eigenen Identität) in sich vereinigt. ›Berufsgerechtigkeit‹, so führte Obermann weiter aus, wäre erst dann erreicht, wenn »auch kognitiv weniger begabte Jugendliche entsprechend ihrer Begabungen in ›Brot und Arbeit‹ kommen und eine gesellschaftliche Anerkennung erfahren«.

Der Religionsunterricht diene dem Erschließen und Begreifen der Berufswelt. Konkret unterschied Obermann zwischen einem ›materialen Berufsbezug‹ des Religionsunterrichts, wenn es um unmittelbare religiöse Bezüge in der konkreten Berufsausübung geht (z.B. beim Bestatter oder der Erzieherin) und einem ›kategorialen Berufsbezug‹, wenn etwa existenzielle Fragen oder Probleme der eigenen Lebensplanung im Religionsunterricht thematisiert werden: In welchem Beruf kann ich mich mit meinen Fähigkeiten sinnvoll einbringen? Wie beeinflusst der Beruf ggf. meine Persönlichkeitsentwicklung? Zum Guten oder vielleicht auch zum Schlechten? Welche Begegnungen und Beziehungen ermöglicht oder verhindert der Beruf?

Was das konkret bedeutet, wie der Berufsschulreligionsunterricht zu einer  »Schule der Persönlichkeit« wird, die ›Transzendenzerfahrungen im Diesseits‹ ermöglicht, ließ Prof. Obermann durch Filmsequenzen plastisch werden, in denen Berufsschüler_innen sich gegenseitig interviewen. Wenn ein Schüler dem anderen zurückmeldet:  »Ich nehme dich jetzt auch ganz anders wahr nach dem Unterricht«, dann belegt das auf erstaunliche Weise, wie Begegnung in der Schule gelingen kann.
(Dr. Meinfried Jetzschke)

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