Präses Annette Kurschus, Präses Thorsten Latzel und Erzbischof Hans-Josef Becker zu Gast beim Radiogottesdienst in der Kirche Alt St. Thomä in Soest
Trauer um die Opfer und Gebete der Hoffnung
MedienInfo 37/2021
„Mir geht das Gesicht des Mannes nicht aus dem Kopf, dessen Frau seit mehr als zwanzig Stunden vermisst ist. Wilde Verzweiflung und stumme Resignation zugleich. Und ich stelle mir vor, wie viele Menschen gerade ähnliche Torturen durchmachen“, sagte Präses Annette Kurschus am Sonntag (18.07.) in Soest vor Beginn des Evangelischen Hörfunkgottesdienstes mit katholischer Beteiligung anlässlich der Unwetter-Katastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz. Mehr als 155 Menschen sind in den Fluten oder an den Folgen der Überflutungen ums Leben gekommen. Hunderte werden noch vermisst.
Die Betroffenen der Flutkatastrophe standen im Gottesdienst im Mittelpunkt, den die Soester Pfarrerin Leona Holler in der Kirche Alt St. Thomä gemeinsam mit Präses Annette Kurschus, leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen und stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, und Erzbischof Hans-Josef Becker vom Erzbistum Paderborn feierte. WDR 5 und NDR Info sendeten live aus Soest. Das westliche Gebiet des dortigen Kirchenkreises ist ebenfalls von der Flutkatastrophe betroffen.
Trauer, Rettung und Gebet – das sind wichtige Stichworte aus der Predigt und aus den persönlichen Gedanken der Gäste. Präses Latzel hat besonders die Begegnung in Sinzig bewegt: „Dort kamen zwölf Menschen in einer Behinderten-Einrichtung ums Leben. Der Bürgermeister der Stadt sagte nach dem Gedenkgottesdienst: ‚Das war das erste Mal, dass ich seit Tagen zur Ruhe kommen und weinen konnte.‘ Das ist es, was wir als Kirche jetzt tun können: Orte zu bieten, um vor Gott zur Ruhe zu kommen und klagen, weinen zu können.“ Erzbischof Becker erklärte: „Mich erschüttert das ungeahnte Ausmaß der Unwetterkatastrophe und die unübersehbaren Folgen für Leib und Leben der betroffenen Menschen. Wir alle sollten nun zusammenstehen, um Trost und Hilfe auf den Weg zu bringen.“
Pfarrerin Leona Holler sagte in ihrer Begrüßung: „Der sintflutartige Regen vom Mittwoch letzter Woche hat sämtliche Sommerfreude weggespült. Unvorstellbares Unglück ist über die Menschen in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz gekommen. Das Ausmaß der Katastrophe können wir nur erahnen.“ Es gehe in diesem Gottesdienst darum, die Not, das Erschrecken, das Leid und die Verzweiflung vor Gott zu bringen, der ein „Gott allen Trostes“ sei.
„Es gibt Worte und Sätze, die haben wir schon oft gehört oder gelesen oder gesagt. Und plötzlich, in einer bestimmten Situation, werden sie lebendig wie nie zuvor“, so Präses Kurschus, die in der Predigt aus Psalm 69 zitierte: „Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.“ In diesen biblischen Worten sieht die Präses heute die Bilder der Katastrophe und die unheimlichen Wassermassen.
„Der Mensch, der so betet, weiß in seiner akuten Not, wohin mit sich und seinem Elend. Er ruft nicht ins Leere, er schreit nicht ins Nichts – er vertraut darauf: Gott hört mich“, sagte die Präses. „Ich stelle mir diesen betenden Menschen mitten unter den Helferinnen und Rettern vor. In Hagen oder in Altena, an der Ahr oder an der Ruhr, in Feuerwehruniform oder im Rettungswagen.“
Pfarrerin Holler zitierte in der gemeinsamen Predigt die Hoffnungsbilder aus Psalm 69: „Gott, sei mir nahe in meiner Seele! Wenn ich in die Bilder dieses Psalms eintauche, dann tauche ich auch in diese alte Hoffnung ein, an Gott in allem Unglück festzuhalten.“