Islambeauftragter: Kirchenneubau löst nicht Probleme der Christen in Türkei
Kirchen in der Türkei weiterhin benachteiligt
Der evangelische Nahost-Experte Gerhard Duncker sieht in einem Kirchenneubau in Istanbul noch keine grundlegende Verbesserung für Christen in der Türkei. »Das größere Problem, dass es keine theologische Ausbildung für den Priesternachwuchs in der Türkei gibt, ist überhaupt nicht im Blick«, sagte der Islambeauftragte der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch seien Kirchen nicht frei, über ihr Eigentum zu verfügen.
Dass die syrisch-orthodoxe Kirche in Istanbul eine Kirche bauen darf, begrüßte Duncker. Das Grundstück, auf dem die Kirche gebaut werden soll, sei jedoch nicht - wie häufig berichtet - städtisch, sondern ein vom Staat enteignetes Grundstück der römisch-katholischen Kirche. Die katholische Kirche habe sich vergeblich darum bemüht, das Grundstück zurückzuerhalten. Außerdem sei der Neubau bereits vor drei Jahren genehmigt, der Baubeginn jedoch ständig durch neue Auflagen staatlicher Behörden verhindert worden, berichtete Duncker.
Trotz einiger Lockerungen in den letzten Jahren seien Kirchen in der Türkei immer noch stark benachteiligt, sagte der kirchliche Islambeauftragte. Zwar gebe es eine persönliche Religionsfreiheit. Kirchengemeinden als Institutionen dürfen nach seinen Worten jedoch nicht über ihre Gebäude oder Grundstücke frei entscheiden. Sie könnten ihre Immobilien nur über Stiftungen verwalten, die der türkischen Regierung unterstehen. Auch blieben Christen Staatsämter oder Berufe wie Richter oder Lehrer in staatlichen Schulen verwehrt. »Ich befürchte, dass auch in Zukunft immer mehr Christen das Land verlassen werden«, sagte Duncker, der neun Jahre lang Auslandspfarrer der deutschsprachigen evangelischen Kirchengemeinde in Istanbul war.
Den Kirchenneubau in Istanbul hatte der türkische Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu am Freitag mündlich zugesagt. Die Gemeinde, der rund 12.000 syrisch-orthodoxe Christen angehören, hat in Istanbul nur eine einzige Kirche und ist dringend auf ein neues Gebäude angewiesen. Die christliche Minderheit in der Türkei macht laut Schätzungen mit rund 120.000 Christen gerade einmal 0,2 Prozent der Bevölkerung aus. Alle kirchlichen Ausbildungsstätten für den geistlichen Nachwuchs im Land wurden 1971 geschlossen. (epd/Holger Spierig)