Bundesweiter Fachtag des Amtes für Jugendarbeit thematisierte Herausforderungen des Wandels
Jugendarbeit in Zeiten der digitalen Transformation
SCHWERTE/WESTFALEN - »Es ändert sich was für die evangelische Jugendarbeit und zwar grundlegend.« Mit diesen Worten hat Udo Bußmann, Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) einen bundesweiten Fachtag zur Zukunft der Jugendarbeit eröffnet. Dazu konnte das Amt für Jugendarbeit der EKvW rund 150 Gäste in Haus Villigst (Schwerte) begrüßen. Titel des Tages: »Jugend 2025 - Wer ist sie und wenn ja, wie viele?«
»Die klassische Jugendarbeit mit Gruppenstunden funktioniert nicht mehr so, wie wir es kannten. Wir erleben, dass wir immer weniger Teilnehmende erreichen«, analysierte Professor Germo Zimmermann (CVJM-Hochschule, Kassel) in seinem Fachvortrag und beschrieb damit die Erfahrungen von etlichen der anwesenden pädagogischen Fachkräfte. Die Gründe dafür seien überwiegend im demographischen Wandel zu finden, so Zimmermann. Die knapper werdenden zeitlichen Freiräume junger Menschen sowie die Tatsache, dass Evangelische Jugend ein Anbieter unter vielen ist und sich damit in direkter Konkurrenz befindet, zählten ebenfalls dazu.
Digitalisierung führt zu epochalem Wandel
»Soziologen weisen aber momentan darauf hin, dass durch die Digitalisierung ein epochaler Wandel eingeleitet wird, der mit der Erfindung der Elektrizität verglichen werden kann«, erklärte Silke Gütlich, Fachreferentin für Grundsatzfragen im Amt für Jugendarbeit.
Welche Auswirkungen dies auf junge Menschen habe, die bereits in einer digitalen Welt aufwachsen, erläuterte Christian Schuldt vom Zukunftsinstitut in Frankfurt. Er verdeutlichte, dass momentan ein Wandel hin zu einer Netzwerkgesellschaft stattfinde. Neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten brächten den Wandel von starren Strukturen, einem Entweder-oder hin zu fluiden Systemen, einem Sowohl-als-auch. Diese digitale Transformation forme und verändere junge Menschen nachhaltig.
Jugendliche, so Schuldt, hätten ein neues Wir-Verständnis. »Die Individualisierung hat nicht abgenommen, sondern verquickt sich mit dem neuen Wir-Verständnis«. Gleichzeitig sei festzustellen, dass die Leistungsbereitschaft junger Menschen höher sei denn je. Allerdings unter klaren eigenen Vorstellungen. Junge Menschen erwarteten, dass sie mitgestalten, sich selbst verwirklichen und als selbstwirksam erleben können. Ich-Werte stünden hoch im Kurs, genauso aber Werte wie Gemeinschaft, Pflicht und Verbindlichkeit.
Die häufig beklagte politische Protestlosigkeit täusche, so Schuldt weiter. Jugendliche seien politischer denn je, allerdings gäbe es kaum noch etwas Grundlegendes zu erstreiten. Grundsätzlich habe die Jugend von morgen eine offene Haltung. Alles könne miteinander kombiniert werden, je nachdem, wie gut es in die eigene Lebenswelt passe.
Permanent online werden Jugendliche im Einklang mit dem digitalen Wandel leben und über einen hervorragenden Umgang mit Komplexität verfügen. Bei sinkenden Zahlen dieser Altersgruppe wird den Jugendlichen deshalb für die Weiterentwicklung der Gesellschaft eine höhere Relevanz zukommen als es jemals der Fall war, zeigte sich Schuldt überzeugt.
Was ist zu tun?
Neben den Vorträgen bot der Fachtag Impulse, wie dem Wandel angemessen begegnet werden könne, um als Evangelische Jugend und Kirche insgesamt auch zukünftig einladend für junge Menschen zu sein. Zukunftsfähig könne sich Kirche für Jugendliche erweisen, wenn sie vielfältige Angebotsformen vorhalte, als authentisch erlebt werde und mit flachen Hierarchien arbeite, so die Experten. Erhöhte Fachkompetenzen der Pädagogen, insbesondere eine digitale Expertise, um Jugendliche überzeugend zu erreichen sowie Möglichkeiten zur Weiterbildung für junge Menschen seien ebenso zukunftsweisend.
Wie sich in weiteren Expertengesprächen und anschließenden Zukunftswerkstätten zeigte, bringt evangelische Jugendarbeit aber auch schon vieles mit, um anschlussfähig zu bleiben. Das Merkmal Partizipation als fester Bestandteil der Jugendarbeit entspräche beispielsweise dem Bedürfnis der Jugend, das Ich zur Entfaltung zu bringen. Auch an dem Wunsch nach einer Wir-Kultur könne Kirche gut anknüpfen. »Wir werden auch gebraucht als Partner, der Räume schafft, um sich mit der eigenen Religiosität auseinander zu setzen«, so Zimmermann. Wenn es gelingt traditionelle Werte neu aufzuladen, so das Resümee, könne Kirche im Leben junger Menschen weiterhin relevant sein.