Tage der Presbyterien
„Jesus baut seine Kirche in Teams“
Exakt vor einem Jahr und zwölf Tagen erhielten die neugewählten Presbyterinnen und Presbyter den Auftrag, Gemeinde zu leiten, stellte der Theologische Vizepräsident Ulf Schlüter in seiner Begrüßung zum Auftakt der „Tage der Presbyterien“ am vergangenen Samstag fest.
Eigentlich wären mehrere Hundert Menschen aus den 476 westfälischen Presbyterien an diesem Tag in Dortmund zusammengekommen: um gemeinsam zu tagen, zu reden, zu singen, Gottesdienst zu feiern. Doch aufgrund der Corona-Pandemie mussten Alternativen her: Der „Tag der Presbyterien“ wurde zu mehreren, dafür kürzeren, Tagungen mit verschiedenen Schwerpunkten. Natürlich digital und online.
Bei der Auftaktveranstaltung mit rund 250 Teilnehmenden stand das Thema „Gemeinde leiten in schwieriger Zeit“ auf dem Programm.
Verantwortung übernehmen
Nach der Begrüßung und Live-Musik von Kirchenmusikdirektor Harald Sieger und Leonie Deutschmann startete das Programm mit einem geistlichen Impuls von Präses Annette Kurschus.
Ausgehend von der Kritik, Kirche sei ausgerechnet in diesen Zeiten nicht sichtbar und mutig genug, lenkte sie den Blick darauf, dass es die Aufgabe von Presbyterinnen und Presbytern sei, Verantwortung zu übernehmen. Kirche sei kein Verein von Optimisten, „keine Gute-Laune-Agentur, deren Aufgabe es ist, hoffnungsfrohe Stimmung im Land zu verbreiten.“ Es sei auch ein Zeichen von Verantwortung, nicht allzu schnell nach tröstlichen und beruhigenden Antworten zu suchen, sondern erst einmal den Fragen standzuhalten.
Herausforderungen und Hoffnungen - Drei Statements
Doch was sind die Herausforderungen und die Kraftquellen für die Presbyter*innen? Drei von ihnen gaben Einblick in ihre Arbeit. Denn das „Gemeinde leiten in schwieriger Zeit“ konnten sie im vergangenen Jahr hautnah erleben.
Manfred Pohlkamp, bereits seit 20 Jahren Presbyter, betonte, der durch Corona ausgelöste digitale Schub habe Auftrieb gegeben. Ute Zorn ist zum 1. Mal im Presbyterium und musste sich gleich mit Schutzkonzepten und Virenschutz befassen. Als positiv hob sie hervor, dass neue Wege beschritten und dadurch neue Mitarbeitende gewonnen werden konnten - zum Beispiel junge Mitarbeitende für die digitalen Arbeiten. Der langjährige Presbyter Andreas Knorr empfand vor allem die Entscheidungen („Aufmachen oder nicht“) als Herausforderung. Auch er bewertete die neuen Formate als durchweg gelungen, befand aber „es fehlen die Projekte, auf die man normalerweise zu arbeitet“. Auch Fragen „Wie bleiben wir wirklich in Kontakt?“ und „Bleiben die Leute nach Corona ganz weg?“ bewegen ihn. Kraftquellen seien die persönlichen Rückmeldungen zur Arbeit, auch der Zusammenhalt in der Gemeindeleitung, wie die Möglichkeit, „mal schnell (digital) zusammenzukommen“. Für die Zeit „danach“ solle man jetzt schon Konzepte entwickeln und priorisieren.
In Kleingruppen konnten sich die Presbyter zu den Herausforderungen austauschen. Die Rückmeldungen zeigten deutlich, welche Themen besonders wichtig sind: Gemeinschaft, Hoffnung, Zuversicht waren zentrale Begriffe, aber auch Aufbruch, Einfallsreichtum und Hybrid-Gottesdienste hatten ihren Platz.
„Der Geist der Kraft, nicht der Furcht“
Dr. Peter Böhlemann, Leiter des Instituts für Aus-, Fort- und Weiterbildung der EKvW, nahm in seinem Impulsvortrag vieles davon wieder auf: Die Bibel sei voll von kleinen Menschen, die vom Geist Gottes erfüllt plötzlich Großes vollbringen. Denen plötzlich große Verantwortung zufällt. Obwohl sie „Angst haben, verunsichert sind oder sich kraftlos und von Gott und allen guten Geistern verlassen fühlen.“ Die Frage „Wie soll ich das schaffen?“, beantworte Gott ganz einfach mit einem „Ich bin bei euch!“
Dennoch hätten „wir bei Kirche“ ein gewisses Problem mit Macht – drückten uns deshalb vor schwierigen Entscheidungen, vor der Verantwortung. Doch Gott stattet nicht nur die Führungspersonen mit Vollmacht aus (wie Petrus in Mt 16,17-19), sondern auch die „Teams“ (hier: die Jünger). Im Zweifel entscheidet nicht der Chef, sondern die Mehrheit. Die Macht in der Kirche Jesu Christi soll eben keiner allein haben. „Jesus baut seine Kirche in Teams! Von Anfang an!“
Dieses Prinzip der gemeinsamen Leitung habe unser evangelisches Leitungsverständnis geprägt. „Wir leiten gemeinsam, presbyterial-synodal! In der evangelischen Kirche teilen wir die Macht und leiten gemeinsam.“ Darauf könne man ruhig ein wenig stolz sein.
Böhlemann schloss mit einer Zeitansage: „Kirche ist lernfähig („Kirche kann auch digital!“). Gemeinsame Leitung entspricht von Anfang an dem Wesen unseres Glauben. Gott ist bei uns, wir lassen uns stören und machen so viele Experimente wie lange nicht. Wir haben den Mut, notwendige und vernünftige Entscheidungen zu treffen, weil wir die Verantwortung untereinander teilen und weil wir im Namen Jesu mit der Hilfe Gottes rechnen. Auch wenn Kirche sich etwas schwer mit Veränderung tut, müsse man sich von manchen liebgewordenen Traditionen verabschieden - wie von „den Fleischtöpfen Ägyptens, alten Grenzen und kirchlich-behördlichen Strukturen der letzten Jahrhunderte.“
Die anschließende Diskussion zeigte, dass der Impuls den Nerv der Zeit getroffen hatte. Neben „großen“ Themen wie „Ist nur die presbytorial-synodale Leitung biblisch begründet“ oder die Zukunft der Parochie standen ganz praktische Fragen um Finanzen und Haftung.
Als wichtiges Thema kristallisierte sich die Frage nach Reformen und Veränderungen heraus. Der Wunsch bei vielen nach mehr Bewegung und Innovation war deutlich spürbar.
Mit Gebet und Segen endete dieser erste Teil der Tage der Presbyterien. Der zweite Teil am 15. April 2021 steht unter dem Thema „Gottesdienst der Zukunft – Zukunft des Gottesdienstes“. Die weiteren Tage folgen am 04. Mai 2021 (Gut haushalten – Zukunft finanzieren) und 07. Juni 2021 (Einladende Gemeinde).