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Wie eine evangelische Gemeinde Familien ganz neu erreicht

Familienzeit im Gottesdienst: Das ist „Kirche Kunterbunt“

Die Oma wollte mit ihrer Enkelin eigentlich zum Spielplatz. Ein Schild machte sie auf das Angebot aufmerksam, das offenbar spannend genug klang: „Kirche Kunterbunt“. Sie blieben einfach da. Und erlebten einen Gottesdienst der anderen Art, in dem es auch mal ungeordnet zugehen darf.

Nicht umsonst heißt das aus Großbritannien stammende Konzept, das immer mehr Gemeinden auch in Westfalen ausprobieren, „messy church“. Aber: Wie „messy“ (deutsch: durcheinander) darf Kirche sein? Oder muss sie es sogar, damit Familien wieder öfter hingehen? „Kirche kunterbunt“ gibt darauf eine eigenwillige Antwort. Das alternative Gottesdienst-Angebot bietet christliche Impulse in einem Rahmen, der Kindern und Erwachsenen bewusste Zeit miteinander ermöglicht, kindliche Bedürfnisse aber konsequent mitdenkt. Was für manchen nach Durcheinander klingen mag, empfinden Familien und Veranstalter als wohltuend ungezwungen.

Das Beispiel vom Anfang stammt aus der evangelischen Kirchengemeinde Herford, wo das Jugendzentrum ToTT des CVJM die kunterbunte Kirche anbietet. Das Konzept für das rund dreistündige Angebot steht auf vier inhaltlichen Säulen, erklärt Lisa Krüger aus dem Mitarbeiterteam. „Es gibt eine bewusste Willkommenszeit mit Getränken und Raum für Gespräche. Danach wird das Thema des Tages vorgestellt, das sich Eltern und Kinder zusammen an Aktiv-Stationen erarbeiten. Und in der Feierzeit sammeln wir unsere Erfahrungen und sprechen darüber, welche Rolle Gott in all dem spielt.“

Gemeindepädagogin Petra Thomas-Klandt, die im ToTT für generationsübergreifende Gemeindearbeit zuständig ist, muss nicht lange überlegen, warum das Format Eltern und Kinder gleichermaßen überzeugt: „Es ist Familienzeit, bewusste Zeit miteinander. Die Eltern müssen sich um wenig bis nichts kümmern. Wir malen und basteln, große Fensterbilder zum Beispiel. Wir haben auch Martinsbrezeln gebacken. Und wenn Kinder sich mal aus den Angeboten ausklinken und für einen Moment etwas anderes spielen wollen, ist das auch okay.“ Es gebe immer eine Möglichkeit für Kinder sich zurückzuziehen.

Den Abschluss, Säule Nummer vier, bildet ein gemeinsames Essen. „So wie Jesus auch mit Menschen gegessen hat“, sagt Thomas-Klandt.

Die Idee der kunterbunten Kirche hat sie selbst mitgebracht. Infos und Anregungen zur Durchführung gibt es im Netz, zur Verfügung gestellt vom Evangelischen Jugendwerk Württemberg. „Man muss aber seinen eigenen Weg finden“, sagt Thomas-Klandt. Wie „messy“ es wird, ist also nicht vorgegeben. Es geht stattdessen um das Aufbrechen des Formates Gottesdienst in ein familienfreundlicheres Angebot. „Das war der Ausgangspunkt“, erinnert sich Lisa Krüger: „Wir wollten Familien ansprechen; auch die, die sonst keine Berührungspunkte mit Kirche haben.“

Seit August bietet das Team die „Kirche kunterbunt“ im Zwei-Monats-Rhythmus an, das nächste Mal am 30. April. Mit dem Mehrgenerationenhaus Frieda stehen, insbesondere durch die Küche, nahezu perfekte Räumlichkeiten zur Verfügung. „Die hat natürlich nicht jede Gemeinde. Das kann durchaus den Unterschied ausmachen, wenn man überlegt, dieses Angebot zu machen“, sagt Thomas-Klandt.

Was rät sie anderen Gemeinden? Es brauche Zeit und ein Team, um die Aktiv-Stationen zu konzipieren und dann auch im Gottesdienst zu betreuen. Zu zwei Vorbereitungstreffen kommt die Gruppe der Organisatoren zusammen, bevor wieder ein neuer Gottesdienst steht. Oft helfen jugendliche Mitarbeiter ehrenamtlich mit.

Das Fazit nach den ersten Gottesdiensten: „Die Menschen kommen – und sie kommen auch wieder.“ Aus den Rückmeldungen zieht das Team auch die Erkenntnis, dass die Eltern positiv überrascht sind, „wie beweglich, lebendig und gastfreundlich Kirche sein kann“.

Am schönsten sei es, wenn viele Familienmitglieder zusammen in die kunterbunte Kirche kämen. „Eltern, Tanten, Großeltern, es sind alle eingeladen“, sagt Krüger. „Wir haben schon mehrfach von Eltern gehört, dass ihre Kinder fragen, wann wieder Kirche Kunterbunt ist“, ergänzt Petra Thomas-Klandt. In Herford verstehen sie das als Ansporn.

Interessiert?
Das Oikos-Institut für Mission und Ökumene bietet Beratung, sowie regelmäßige Praxis- und Inspirationstage zur Planung und Durchführung von "Kirche Kunterbunt" an. Der "Netpoint Kirche Kunterbunt Westfalen" steht dafür zur Verfügung. Die Ansprechpartnerin für alle Fragen ist Silke Lück zuständig (Tel. 02 31/54 09-85, E-Mail).

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