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Präses Kurschus im Gespräch mit von Corona-Maßnahmen betroffenen Menschen

„Diese Menschen brauchen unseren Respekt“

Die Corona-Maßnahmen treffen die verschiedenen Berufsgruppen sehr unterschiedlich. In Online-Gesprächen will die westfälische Präses Annette Kurschus Betroffenen Raum geben und zuhören. 

Die zweite Corona-Welle bringt die Klinik an die Belastungsgrenze, schildert Intensivmedizinerin Dagmar Rausch vom Evangelischen Krankenhaus Hamm die aktuelle Lage. „Das Behandlungsteam muss täglich entscheiden: Wer kommt auf einen Intensivplatz, wer wird von der Intensivstation in einen anderen Bereich verlegt.“ Die Situation sei zwar noch nicht so dramatisch wie in Frankreich und Italien, erzählt die Medizinerin in einem Online-Gespräch, zu der die westfälische Präses Annette Kurschus eingeladen hat. Aber es sei schon belastend, das nehme man auch mit nach Hause.

Von dieser Pandemie habe sie zunächst gedacht, das treffe alle gleichermaßen, sagt die westfälische Präses Annette Kurschus. „Wir merken aber immer deutlicher, wie ungleich dieses Virus uns trifft.“ Auch die Entscheidung der westfälischen Kirche, die ersehnten Weihnachtsgottesdienste nicht in präsenter Form zu feiern, habe damit zu tun, was aus den Pflegeeinrichtungen, aus den Krankenhäusern und den Intensivstationen zu hören sei. „Ich will heute einfach hören: Was erleben Sie da gerade, wie geht es Ihnen, wie sind Sie unterwegs?“

Im Paderborner Pflegeheim Perthes-Haus, in dem es vor Inkrafttreten der Hygiene- und Abstandsregeln einen Corona-Ausbruch gab, ist die Sorge vor einer zweiten Corona-Welle groß, wie die Einrichtungsleiterin Heidemarie Hellweg beschreibt. Eine Bewohnerin war im Krankenhaus positiv auf Corona getestet worden. Das Virus hatte sich unbemerkt ausbreiten können. Mehr als 30 Bewohner und Mitarbeiter waren erkrankt, neun Menschen starben. Seit Pfingsten sei die Einrichtung coronafrei gewesen. Jetzt seien alle besorgt, ob der Corona-Virus wiederkomme, berichtet Hellweg.

Der Chefarzt des Zentrums für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Bielefeld, Werner Bader, plädiert trotzdem für eine Lockerung der strikten Kontaktverbote bei Corona-Patienten. Auch unter leichter Narkose nehme man als Patient die Menschen in der Nähe wahr, berichtet der Mediziner, der selbst eine schwere Corona-Infektion durch einen Patientenkontakt überlebte.

Er könne aus eigener Erfahrung ganz klar sagen, wie extrem wertvoll persönliche Gespräche seien, berichtet Bader. „Sie brauchen die persönliche Fürsprache und Sie brauchen das Handhalten, wenn sie krank sind.“ Das sollte man den älteren Menschen auch nicht verwehren. Das Ansteckungsrisiko könne durch Masken und Desinfektion wirksam begrenzt werden.

Die Betroffenen dürften nicht alleingelassen werden, sagt denn auch Präses Kurschus am Ende des Gesprächs. „Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Menschen nicht alleine sind.“ Natürlich müssten Besuche „mit höchster Behutsamkeit und Vorsicht“ stattfinden, erklärte Kurschus, die auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland ist.

Die Entscheidung, in Westfalen auf Präsenzgottesdienste an den Weihnachtstagen zu verzichten, begrüßte Chefarzt Bader: „Ich finde es sehr gut, dass Sie das so machen“, sagte Bader. „Aus medizinischer Sicht handeln Sie völlig richtig - größere Menschenmengen sollte man tunlichst vermeiden.“ Auch er selbst werde Weihnachten in diesem Jahr anders feiern.

Für die Bewohner des Perthes-Hauses sei es schwierig, auf die Weihnachtsgottesdienste zu verzichten, sagte hingegen die Einrichtungsleiterin Hellweg. „Unseren Bewohnern wird es sehr fehlen.“ Die meisten hätten keine digitale Möglichkeiten.

Das Gespräch mit Ärzten und Pflegekräften ist Teil von insgesamt sechs „Lockdown“-Gesprächen der Präses. Dabei kamen bisher Engagierte in der Flüchtlingsarbeit zu Wort, ebenso Kulturschaffende, Beschäftigte in der Sportbranche sowie Hotel- und Gaststättenbetreiber. Den Abschluss sollte am Dienstag ein Austausch mit Menschen aus der Schaustellerbranche bilden.

Bereits vor der digital tagenden Landessynode im November hatte die Präses die ungleiche Verteilung der Lasten durch die Pandemie beklagt. Die Betroffenen benötigten Respekt und die Unterstützung, betonte sie: „Vor allem verdienen sie es, gehört und wahrgenommen zu werden“. (epd-West spi)

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