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Teilnehmende aus Kirche und Hilfsorganisationen verabschieden Resolution

Asylpolitisches Forum für "Flüchtlingsschutz statt Abschottung"

Im Rahmen des Asylpolitischen Forums 2023, der Plattform für kirchliche und gesellschaftliche Organisationen der Flüchtlingshilfe, haben die Teilnehmenden eine Resolution unter dem Motto „Flüchtlingsschutz statt Abschottung – Integriertes Bleibemanagement statt Abschiebung“ verabschiedet.

Dazu heißt es in der Präambel: „Das Grundrecht auf Asyl und der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind als Menschenrechte Wertegrundlagen unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaften in Deutschland und der Europäischen Union (EU) und damit nicht verhandelbar. Wer am Recht auf Asyl rüttelt, höhlt das Fundament unseres Rechtsstaats aus, missachtet eine der wichtigsten Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und spielt demokratiefeindlichen Kräften in die Hände. Die Menschenrechte müssen in der ganzen EU und an ihren Außengrenzen Maßstab allen staatlichen Handelns sein. Wir nehmen mit großer Besorgnis eine zunehmend rassistische und entmenschlichende Tendenz im gesellschaftlichen und politischen Diskurs zum Thema Flucht und Migration wahr.“

Das „Asylpolitische Forum 2023 - Die Axt am Flüchtlingsschutz: Wie verteidigen wir die Menschenrechte?“ fand vom 1.-3. Dezember 2023 in Haus Villigst in Schwerte statt. Es wurde veranstaltet von der Evangelischen Akademie Villigst im Institut für Kirche und Gesellschaft und gemeinsam vorbereitet und durchgeführt von Amnesty International, Flüchtlingsrat NRW, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Evangelische Akademie Villigst im Institut für Kirche und Gesellschaft und der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. In Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops bot die dreitägige Veranstaltung eine Plattform für den Austausch und Wissenstransfer von Akteur*innen der Flüchtlingshilfe und den Dialog mit Politik und Verwaltung.

Die Resolution im Wortlaut:

Flüchtlingsschutz statt Abschottung
Integriertes Bleibemanagement statt Abschiebung

Das Grundrecht auf Asyl und der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind als Menschenrechte Wertegrundlagen unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaften in Deutschland und der Europäischen Union (EU) und damit nicht verhandelbar. Wer am Recht auf Asyl rüttelt, höhlt das Fundament unseres Rechtsstaats aus, missachtet eine der wichtigsten Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und spielt demokratiefeindlichen Kräften in die Hände. Die Menschenrechte müssen in der ganzen EU und an ihren Außengrenzen Maßstab allen staatlichen Handelns sein. Wir nehmen mit großer Besorgnis eine zunehmend rassistische und entmenschlichende Tendenz im gesellschaftlichen und politischen Diskurs zum Thema Flucht und Migration wahr.

Die Teilnehmenden des Asylpolitischen Forums 2023 stellen fest:

1. Wir fordern ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) auf Grundlage der international verankerten Menschenrechte und der Genfer Flüchtlingskonvention, zu deren Wahrung sich die EU verpflichtet hat. Dazu sind verbindliche Standards, die ein faires rechtsstaatliches Asylverfahren, eine menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und eine gleichwertige Teilhabe garantierende Lebensbedingungen für Asylsuchende gewährleisten, in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen.

2. Die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz darf nicht an Drittstaaten ausgelagert werden. Die Kollaboration insbesondere mit Diktaturen und Unrechtsregimen liefert Schutzsuchende sehenden Auges Gewalt und Willkür aus. Eine Auslagerung der EUAsylpolitik in Drittstaaten, beispielsweise nach dem Vorbild des britischen Abkommens mit Ruanda, darf es nicht geben. Die geplante GEAS-Reform lehnen wir ab. Die Rechte von Schutzsuchenden würden dadurch massiv beschnitten und die rechtwidrige Praxis von Pushbacks und Inhaftierungen an den EU-Außengrenzen als Regel legitimiert. Statt Sicherheit in Europa zu finden, werden Schutzsuchende an Grenzen über Wochen und Monate hinweg inhaftiert.

3. Seenotrettung ist eine völkerrechtliche und humanitäre Pflicht, der die Mitgliedstaaten gerecht werden müssen. Unterlassene Seenotrettung ist (straf)rechtlich zu verfolgen. Wir fordern den Ausbau staatlicher Seenotrettung ohne Zurückschiebung der Geretteten und die konstruktive Zusammenarbeit mit Initiativen der privaten Seenotrettung. Zivile Seenotrettung darf weder behindert noch kriminalisiert werden.

4. Anknüpfend an die internationalen Menschenrechte und den UN-Migrationspakt fordern wir Deutschland und die EU auf, mehr legale Wege für Schutzsuchende in die Europäische Union zu gestalten (humanitäre Visa) und darüber hinaus erhebliche Visaerleichterungen zu schaffen. Dies ist die wirksamste Methode, um gegen Menschenhändler und Schleuser vorzugehen.

5. Der grundgesetzlich garantierte Schutz von Ehe und Familie muss für alle Schutzberechtigten gelten. Familientrennungen sind familien- und integrationsfeindlich und missachten das Kindeswohl der betroffenen Minderjährigen. Wir fordern, Familienzusammenführungen zu subsidiär Schutzberechtigten mit GFK-Flüchtlingen gleich zu stellen und national Geschützte in dieses Vorhaben aufzunehmen. Geschwisternachzug muss umfassend gewährt werden.

6. Wir fordern die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und stattdessen die Gewährung von Sozialleistungen im Regelsystem. Alle Menschen haben das gleiche Recht auf ein Leben in Würde und die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse. Daher lehnen wir sowohl die Verlängerung gekürzter Leistungen auf 3 Jahre als auch die Einführung von diskriminierenden Bezahlkarten ab.

7. Die Landeserstaufnahme muss dazu beitragen, Schutzsuchenden ein faires Asylverfahren zu ermöglichen. Wir fordern, die Asylverfahren und die Erstaufnahme vom Rückkehrmanagement zu trennen. Die EU-Vorgabe eines Systems der Identifizierung von Schutzbedürftigen muss umgehend umgesetzt werden. Dabei braucht es beim Asylverfahren und der Unterbringung verbindlicher Regelungen zur Berücksichtigung anerkannter Bedarfe einschließlich der Gewährung notwendiger Leistungen.

8. Wir fordern vom Land NRW, bei der Landeserstaufnahme die von ihm selbst gesetzten Standards insbesondere hinsichtlich der Versorgung, des Gewaltschutzes und einer qualitativen Gesundheitsversorgung verbindlich und einheitlich umzusetzen, deren Einhaltung zu kontrollieren und die Maßnahmen auszubauen. Das Kindeswohl ist prioritär zu beachten. Insbesondere ist das Recht auf Bildung in Regelschulen zu gewährleisten, wenn Kinder mehr als zwei Monate verbleiben. Die Erstaufnahme sollte maximal auf drei Monate begrenzt werden. Durchschnittlich sollte die Erstaufnahme in Landesunterkünften sechs Wochen nicht überschreiten. Wir lehnen den Zwang zur Unterbringung in Lagern ab. In Ansehung der guten Erfahrungen mit der Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine sollten Schutzsuchende schnellstmöglich in den Kommunen, vorzugsweise in räumlicher Nähe zu Familie, Angehörigen und Freund*innen wohnen dürfen.

9. Wir fordern, die Aufnahme in Land und Kommunen von Beginn an mit einem „integrierten Bleibemanagement“ zu verknüpfen. Die Aufnahme in Landesunterkünften sollte unmittelbar verbunden sein mit Deutschkursen, altersgerechten Lernangeboten, konkreter Vorbereitung der Regelbeschulung bei Aufenthaltszeiten unter zwei Monaten, der Feststellung beruflicher Qualifikationen, einer Arbeitserlaubnis. Das integrierte Bleibemanagement muss nach ggf. abgelehntem Asylantrag zudem eine sorgfältige Einzelfallprüfung, wie sie beispielsweise im Rahmen des Kölner Bleiberechtsprogramms erfolgt, zur Möglichkeit der Aufenthaltssicherung, insbesondere durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels, umfassen. Wir fordern, Teilhabe zu ermöglichen, statt zunehmend auf Isolation in Landesunterkünften, Abschreckung und Abschiebung zu setzen.

10. Sollte kein rechtlicher oder tatsächlicher Grund für einen weiteren Verbleib in Deutschland bestehen, ist die Ausreise human zu gestalten, insbesondere durch angemessene Förderung der eigenständigen Ausreise. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird bereits jetzt bei der Durchsetzung von Abschiebungen zunehmend verletzt. Insbesondere dürfen aus Behörden oder aus Schutzräumen wie aus Schulen, Krankenhäusern, Psychiatrien sowie aus dem Kirchenasyl keine Abschiebungen erfolgen. Wir fordern das Land auf, die im Koalitionsvertrag verankerten Vorhaben zur Wahrung des Kindeswohls, zur Beachtung von humanitären Belangen und zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit umzusetzen.

11. Um eine unabhängige Beratung für alle Schutzsuchenden zu gewährleisten, müssen alle Förderbereiche des Landesprogramms „Soziale Beratung von Geflüchteten“ und die Asylverfahrensberatung des Bundes auskömmlich finanziert und bedarfsgerecht ausgebaut werden.

12. Die Kommunen müssen nachhaltige Konzepte zur Aufnahme von Schutzsuchenden entwickeln, welche auch die Bedarfe besonders Schutzbedürftiger umfassend berücksichtigen. Dazu gehört vor allem die dezentrale Unterbringung, schnellstmöglich in privatem Wohnraum. Der Zugang zu Kindertagesstätten, Bildung und sozialer Partizipation ist sicherzustellen. Hierfür dürfen die Kommunen einer angemessenen Finanzausstattung.

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