Einsatz für Menschen in Armut bleibt notwendig
Westfälische Präses zu Gast beim Mittagstisch für Wohnungslose
„Fünf Sterne heute“ lobt eine Besucherin in Richtung Küche. Im Wattenscheider ‚Mittagstisch für Wohnungslose‘ gibt es heute Grünkohl. Im Speisesaal steht schon ein Tannenbaum, auf den Tischen Adventsschmuck. Rund 30 Frauen und Männer kommen hier jeden Tag hin, um mittags eine warme Mahlzeit zu bekommen, die sie sich sonst nicht leisten könnten.
Heute, kurz vor Weihnachten, sitzt ein besonderer Gast mit am Tisch. Annette Kurschus ist zum Mittagessen gekommen. Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich gewünscht, die Einrichtung, die das Diakoniewerk Gelsenkirchen und Wattenscheid seit vielen Jahren betreibt, kennenzulernen und mit Gästen und Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen.
Das gelingt schnell. Gegenüber am Tisch sitzt zum Beispiel Horst Plewe. Wie viele hier ist der Mann aus dem Stadtteil Hüntrop Stammgast beim Mittagstisch. Er erzählt von seiner persönlichen Situation, die familiären Hintergründe und die Art und Weise, wie er sein Leben trotz aller Not und Widrigkeit meistert. Und auch sein Tischnachbar Bennedeto Mauro erzählt. Er kam als Kind aus Italien in den ‚Pott‘, hat noch eine Schwester in Italien, sonst aber keine Angehörigen mehr. Die Präses fragt nach, lässt sich berichten und beeindrucken, und es wird auch miteinander gelacht am Tisch.
Wiederholt hatte Annette Kurschus in den vergangenen Monaten gefordert, mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf Menschen in Armut und mit geringem Einkommen zu richten. Beim Wattenscheider Mittagstisch, so die Präses, wolle sie sich einen konkreten Eindruck vor Ort verschaffen. Denn sie möchte nicht nur über Menschen in Armut reden, sondern auch mit ihnen, so die leitende Geistliche.
Nach dem Essen setzt sich Annette Kurschus mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zusammen. Sie berichten von ihrem Einsatz, von den Gästen, von Entwicklungen in der Arbeit des Mittagstisches. Den gibt es schon seit 1995. Er finanziert sich großenteils aus Spenden, die angeschlossene Sozialberatung, die Menschen hier in Anspruch nehmen können, wird öffentlich gefördert.
Die Hilfen beim ‚Mittagstisch‘ gehen weit über das gemeinsame Mittagessen hinaus. Die Einrichtung hat täglich von 8 Uhr bis in die Nachmittagsstunden geöffnet. Wer hierher kommt und keine andere Möglichkeit hat, kann auch duschen, sich die Haare waschen – oder erhält auch mal neue Kleidung, wenn es nötig ist. Die Ursachen für Armut oder Wohnungslosigkeit, so auch die Erfahrung in Wattenscheid, sind vielfältig. Oft greifen Zäsuren in einem Lebensweg ineinander: Trennung, Tod von Angehörigen, Verlust des Arbeitsplatzes, Erkrankungen oder vieles mehr.
Neben der materiellen Armut belastet meist das Gefühl der Einsamkeit. Viele der Besucherinnen und Besucher brächten zudem in zunehmender Weise psychische Probleme mit, berichten die Mitarbeitenden. So bekommen Einrichtungen wie der Mittagstisch vielschichtige Hilfedimensionen. „Hier geht es nicht nur darum, dass Menschen eine warme Mahlzeit bekommen, sondern es geht auch um die Gemeinschaft, gegen die Einsamkeit“, sagt Annette Kurschus bei ihrem Besuch.
Das Team des Mittagstisches besteht aus 10 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, einem fest angestellten Sozialarbeiter, einem Sozialhelfer, einem Studenten und einer Reinigungskraft. Sie sind dankbar für den Besuch und das Interesse der Präses und Ratsvorsitzenden. „Wir fühlen uns sehr geehrt, dass sich Frau Dr. Kurschus unser Angebot anschaut und sich Zeit dafür nimmt, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“, sagt Heike Lorenz, Einrichtungsleitung der Beratungsdienste im Diakoniewerk.
Am Ende des Treffens dankt Präses Kurschus den Mitarbeitenden für ihr engagiertes und empathisches Wirken. Wenn sie sich künftig weiterhin für die Entlastung von Menschen, die in Armut leben, einsetzt, wird sie die Gespräche in Wattenscheid in Erinnerung haben.