Evangelische Kirchen und Diakonie RWL passen Anerkennungszahlungen an
Individuelle Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt
Erlittenes Leid und Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden. Es kann aber gesehen und anerkannt werden. Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen im Bereich der rheinischen, westfälischen oder lippischen Landeskirche erlebt haben, erlebt haben, erhalten jetzt individuelle Zahlungen.
Dafür zuständig ist die neu zusammengesetzte Unabhängige Kommission (UK). Sie bearbeitet die Anträge seit Anfang Februar. Das Gremium der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) besteht aus sechs Mitgliedern, die über traumatherapeutische, psychologische, theologisch-seelsorgliche, pädagogische und juristische Qualifikationen verfügen.
Individuelle Zahlungen ersetzen Pauschalen
„Durch die Arbeit der Unabhängigen Kommission nehmen wir das Leid der Betroffenen und ihre damalige Ohnmacht wahr, geben ihnen die Möglichkeit, bisher Ungesagtes auszusprechen, schenken ihren Schilderungen Gehör und setzen uns mit dem individuellen Erleben der Betroffenen auseinander“, erklärt Präses Annette Kurschus, die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen. Da die Betroffenen unterschiedlich schweres Leid mit womöglich bleibenden gesundheitlichen Schäden erfahren haben, erhalten sie künftig keine pauschale, sondern eine individuelle Zahlung als Anerkennung dieses Leids. Als Voraussetzung gilt, dass sie in der Regel zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, die Taten verjährt sind und ein institutionelles Versagen vorlag.
Für die individuellen Anerkennungszahlungen, die sich an Schmerzensgeld-Tabellen orientieren und bis zu einer mittleren fünfstelligen Summe reichen, wurden die Antragsformulare überarbeitet. Sie können bei der Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung (FUVSS) eingereicht werden, die ihren Sitz bei der Diakonie RWL in Düsseldorf hat. Dort erhalten Betroffene auch Beratung und bei Bedarf Unterstützung beim Ausfüllen der Formulare.
Viele Betroffene begrüßen Umstellung des Verfahrens
Als Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission übernimmt die FUVSS die Sichtung der eingereichten Unterlagen. Die UK wertet aus, ob alle Angaben plausibel sind und schätzt ein, ob ein Anspruch auf Zahlung besteht. Die schriftlichen Angaben der Betroffenen werden durch ihre persönlichen Schilderungen angereichert, um ein möglichst umfassendes Bild zu bekommen.
„Wer in den vergangenen Jahren eine pauschale Zahlung in Anerkennung seines Leids erhalten hat, bekommt ebenfalls die Möglichkeit einer individuellen Prüfung“, erklärt Teresa Thater, die bei der FUVVS für das neue Verfahren zuständig ist. Sie hat bereits rund 200 Betroffene angeschrieben, von denen bislang 110 einen neuen Antrag stellen wollen. „Viele begrüßen die Umstellung des Verfahrens, das ihr persönliches Leid stärker berücksichtigt und nun in allen drei evangelischen Landeskirchen gilt.“
Mehr zum neuen Anerkennungsverfahren finden Sie in einem Interview mit Theresa Thater.