Präses besuchte zentrale Unterkünfte mit unterschiedlichen Ausrichtungen
Augenmerk für alle Menschen auf der Flucht
MedienInfo 19/2022
In den ersten Tagen nach Ausbruch des Krieges waren in der ehemaligen Kaserne in Soest zeitweise bis zu 1500 Menschen untergebracht, die sich aus ihrer ukrainischen Heimat aufgemacht hatten, um vor Bomben und Raketenbeschuss Zuflucht zu suchen.
Derzeit sind hier deutlich weniger Menschen anzutreffen, aber die Anzahl der Ankömmlinge ändert sich ständig. Wer in der Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes (ZUE) in Soest unterkommt, der verbleibt hier längstens zwei Wochen. Dann werden Geflüchteten weiterführende Unterkünfte in Kommunen zugewiesen.
Um sich einen Eindruck von der Situation vor Ort zu machen, besuchte die westfälische Präses und EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus die Einrichtung. Bei einem Rundgang informierte sie sich über Einrichtung und Logistik und kam auch mit einer ukrainischen Frau ins Gespräch, die vor kurzem zusammen mit ihrer Schwiegertochter und Enkelkindern aus Mariupol eingetroffen war. Ehemann und Sohn mussten die Frauen im umkämpften Gebiet zurücklassen.
Präses Annette Kurschus wie auch der Superintendent des Kirchenkreises Soest-Arnsberg, Manuel Schilling, auf dessen Initiative der Besuch zustande kam, fragten nach konkreten Möglichkeiten, angemessen unterstützen zu können. Beide zeigten sich beeindruckt von der Arbeit der ZUE. In der öffentlichen Debatte ständen fast immer nur Waffenlieferungen an die Ukraine im Fokus, so die Präses. Dabei werde oft vergessen, was sonst noch alles für die von Krieg und Leid geplagten Menschen hier getan werde, beispielsweise in der Soester Einrichtung.
Eine Fluchtgeschichte mit ganz anderem Hintergrund erfuhr die Präses bei der zweiten Station ihres Besuchs. Kelvin Aghaulor, 23 Jahre alt, wurde als Sohn des Führers einer christlichen Bewegung in Nigeria verfolgt. Vor fast drei Jahren floh er aus seinem Heimatland. Jetzt lebt er seit 27 Monaten in der ZUE Möhnesee-Echtrop, sein Asylantrag wurde negativ beschieden, aber Kelvin hofft auf dauerhafte Duldung.
738 Menschen aus 34 Nationen leben derzeit in der ZUE Möhnesee. Auch Kelvin Aghualor teilt sein 7-Bett-Zimmer mit Geflüchteten unterschiedlicher Herkunft. Nicht immer falle da die Verständigung leicht, schilderte er im Gespräch mit der Präses.
Einige der Bewohner*innen in Möhnesee-Echtrop hatten nach Ausbruch des Ukraine-Krieges binnen 48 Stunden ihre bisherige Unterbringung in Soest räumen müssen, um die dortige ZUE für Menschen aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Das sei nicht sehr glücklich gewesen, beklagte die Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises Elisabeth Patzsch. Dennoch seien die Menschen auch in Möhnesee angemessen untergebracht, so Thomas Sommer, Abteilungsleiter bei der Bezirksregierung, der den Präses-Besuch an beiden Standorten begleitete. Er verwies auf die außergewöhnliche Situation nach dem Kriegsausbruch, auf die niemand vorbereitet gewesen sei.
Als besonders belastend erwies sich aber die Tatsache, dass für Geflüchtete aus verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche Rechtsnormen zur Anwendung kommen. Während Geflüchteten aus der Ukraine auf Basis der ‚Massenzustrom-Richtlinie‘ der EU umfangreiche Rechte gewährt werden und sie so beispielsweise Zugang zu Arbeit, Bildung, Sozialleistungen und medizinischer Versorgung haben, durchlaufen Geflüchtete aus anderen Ländern ein aufwändiges, individuelles Asylverfahren, das vergleichbare Rechte weitgehend ausschließt.
Präses Annette Kurschus teilte die Sorge, dass auf diese Weise eine Ungleichbehandlung von Geflüchteten verfestigt werde. Sie wolle sich mit aller Kraft für die Rechte aller Betroffenen einsetzen, so die Präses. „Unser Ziel muss eine Gleichbehandlung aller Geflüchteten sein, und zwar auf dem Niveau, wie die Geflüchteten aus der Ukraine behandelt werden.“