Westfälische Landeskirche begrüßt Veröffentlichung der ForuM-Studie
Was ist die ForuM-Studie?
Ende 2020 hat der Forschungsverbund ForuM (Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland) mit einer breit angelegten unabhängigen Studie zum Thema sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche seine Arbeit aufgenommen. Die Ergebnisse wurden am 25. Januar 2024 veröffentlicht (zur Website der ForuM-Studie).
ForuM ist ein unabhängiges Forschungsprojekt. Es umfasst ein Metaprojekt sowie mehrere Teilprojekte. Beteiligte Institutionen sind die Hochschule Hannover, die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, die Bergische Universität Wuppertal, die Freie Universität Berlin, das Institut für Praxisforschung und Projektberatung München, das Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf, das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim sowie die Universität Heidelberg.
Wer hat die Studie in Auftrag gegeben?
Das Forschungsprojekt wurde von der evangelischen Kirche mit ihren 20 Landeskirchen und der Diakonie Deutschland in Auftrag gegeben. Die Kosten belaufen sich auf ca. 3,6 Millionen Euro. Alle 20 Landeskirchen beteiligen sich an der Finanzierung.
Welche Daten hat die Evangelische Kirche von Westfalen zur Verfügung gestellt?
Von Seiten der EKvW sind in die ForuM-Studie Daten über 110 Beschuldigte und 251 Betroffene aus dem Zeitraum von 1946-2020 eingeflossen. In dieser Zeit erfolgten in Westfalen 18 Disziplinarverfahren gegen Pfarrpersonen.
Was sagt die EKvW zu dem Vorwurf, die Kirche habe nicht ausreichend Daten zugeliefert?
Für die Evangelische Kirche von Westfalen lässt sich klar feststellen: Wir haben im Rahmen der ForuM-Studie umfassend und ohne Verzug alle Akten betrachtet und Daten geliefert, die der Forschungsverbund von uns angefordert hat. Dafür waren zusätzliche personelle Kapazitäten erforderlich, die seitens der Landeskirche selbstverständlich eingesetzt wurden.
Es hatte aber offenbar im Vorfeld in einigen Landeskirchen Probleme bei der Datenerhebung aus den Personalakten gegeben, die dann zwischen EKD und Forschungsverbund zu der Vereinbarung über ein verändertes Forschungsdesign geführt hatten. Das heißt, von allen Landeskirchen wurden anschließend andere Daten eingefordert als zunächst von den Forschenden vorgesehen (Disziplinarakten statt Personalakten). Zum Zeitpunkt der konkreten Anfrage an unsere Landeskirche war das Studiendesign schon generell verändert worden, so dass die Sichtung der gesamten Personalakten aller Pfarrpersonen nicht mehr Teil des Fragebogens war.
Gleichwohl hat dieses Vorgehen offenbar bei einzelnen Forschenden, trotz der vorausgegangenen Absprache, Verärgerung hinterlassen, die sie bei der Präsentation der Studie öffentlich geäußert haben. So kam es zu der fälschlichen Berichterstattung: die Kirchen hätten ‚gemauert und vertuscht‘. Für die EKvW ist festzuhalten: dies war und ist in keiner Weise der Fall.
Werden die bisher nicht ausgewerteten Personalakten in der EKvW noch aufgearbeitet?
Im Zuge der weiteren Aufarbeitungsschritte werden wir auch in Westfalen – über die bereits untersuchten Daten hinaus – sämtliche verfügbaren Personal- oder Sachakten anschauen und sie in einem geordneten Verfahren auf mögliche Vorgänge im Zusammenhang sexualisierter Gewalt untersuchen.
Wie geht es in Westfalen mit der Aufarbeitung weiter?
Die ForuM-Studie liefert in all ihren fünf Teilprojekten überaus wichtige, wertvolle und aussagekräftige Ergebnisse. Wir haben jetzt die Aufgabe, diese Ergebnisse umfassend auszuwerten und auf notwendige Konsequenzen hin zu prüfen. Dieser Aufgabe, die Sorgfalt und Zeit benötigt, werden wir uns konsequent stellen.
Bei der weiteren Aufarbeitung von Fällen werden wir uns strikt im Rahmen der Vereinbarung bewegen, die am 13. Dezember 2023 mit der UBSKM – der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung – unterzeichnet worden ist. Darin ist die Einrichtung unabhängiger regionaler Aufarbeitungskommissionen vorgesehen, in denen Expertinnen und Experten unter anderem aus Wissenschaft, Justiz und Verwaltung, Betroffene sowie Vertreterinnen und Vertreter von Kirche und Diakonie zusammenarbeiten. Das zeitnahe Zustandekommen dieser Kommission werden wir auch von Seiten der EKvW weiter vorantreiben. Alle notwendigen Schritte der Aufarbeitung werden künftig unter der Regie dieser unabhängigen Kommissionen zu gehen sein.
Was tut die EKvW jetzt und in Zukunft für den Schutz vor sexualisierter Gewalt?
Vor allem mit dem Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt haben wir in der Evangelischen Kirche von Westfalen schon flächendeckend den Weg der Prävention und Intervention eingeschlagen. So werden beispielsweise überall in unserer Kirche gezielt Menschen geschult, um Hintergründe über Taten sexualisierter Gewalt zu erfahren und für den Umgang mit problematischen Situationen und Verdachtsmomenten sensibilisiert zu werden. Bis zum Ende des vergangenen Jahres hatten im Bereich der EKvW schon 16.632 Personen eine solche Präventionsschulung absolviert.
Diesen Weg werden wir konsequent weiter gehen und dabei auch die Menschen in unseren Gemeinden und Einrichtungen fachlich und organisatorisch unterstützen. Denn es muss für uns alle in unserer Kirche das wichtigste Ziel sein, dass kirchliche Räume in Zukunft überall und für alle Menschen sichere Orte sind.
Was sagt die Evangelische Kirche von Westfalen zu den Ergebnissen der Studie?
Es ist erschreckend, dass sexualisierte Gewalt in unserer Kirche über Jahrzehnte hinweg immer wieder Menschen widerfahren ist. Dass dies in unserer Kirche möglich war und zuweilen noch immer ist, beschämt uns. "Im Namen aller, die in unserer Kirche Verantwortung tragen, können wir dafür nur bei den vielen Betroffenen um Entschuldigung bitten", erklärt der Theologische Vizepräsident Ulf Schlüter.
Gleichwohl sind die Ergebnisse der Studie für diejenigen, die sich schon seit längerem intensiv mit dem Problem befassen, nicht überraschend gewesen. Es handelt sich keinesfalls nur um wenige, bedauerliche Einzelfälle. Die Studie hilft uns vor allem dabei, Zusammenhänge besser zu verstehen. Denn sie gibt Aufschlüsse darüber, wie etwa Strukturen und Formen des Miteinanders in unseren Gemeinden sexualisierte Gewalt begünstigen und, wenn sie denn geschehen ist, deren Aufarbeitung behindern. Ganz offensichtlich hängt das auch mit unserem eigenen Selbstverständnis und der Art, wie wir miteinander umgehen, zusammen. Das alles vor Augen zu haben, wird uns helfen, künftig alle Formen von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch noch wirksamer zu bekämpfen.
Aktuelles zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der EKvW
Externe Untersuchung zum Verdachtsfall auf sexualisierte Gewalt in Siegen
EKvW entwickelt Arbeitshilfe speziell für die Interventionsarbeit
7. Qualifizierung neuer Multiplikator*innen erfolgreich abgeschlossen
Ihre Ansprechpartnerin:
Marion Neuper
Referentin für Intervention, Meldestelle nach dem KGSsG
Fachstelle „Prävention und Intervention“ der EKvW
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