Glockengeläut ist Kirchenmusik – wie Chorgesang, Orgelspiel oder Posaunenchor. Davon ist Claus Peter fest überzeugt. Und er tut alles dafür, dass sich diese Überzeugung durchsetzt. In Westfalen, aber auch weit darüber hinaus.
Dr. Claus Peter ist seit 1988 Glockensachverständiger der Evangelischen Kirche von Westfalen. Schon 1975 wurde er als Experte des nordrhein-westfälischen Landeskonservators berufen. So brachte er viel Erfahrung mit, als er das kirchliche Amt antrat – ein Nebenamt zusätzlich zu seinem Hauptberuf als Musiklehrer an einer Grundschule in Hamm. Nun ist er 71 Jahre alt und im Ruhestand. Aber ein Nachfolger, der auf dem Gebiet der Glocken auch nur annähernd so zu Hause wäre, ist in Westfalen noch nicht in Sicht. Claus Peter nimmt seine Aufgabe bis auf Weiteres wahr. »Ich bin froh, dass ich noch kraxeln kann«, sagt er und lacht. Denn zu diesem Amt gehört es, steile Treppen und schmale Leitern zu erklimmen: Der Sachverständige muss hoch in den Glockenstuhl, muss die bronzenen Klangkörper inspizieren, ihr Tonspektrum vermessen, ihren Zustand beurteilen können.
Musik, Kunstgeschichte, Denkmalpflege, Theologie...
Solche Praxis ist nur auf der Grundlage eines umfassenden Wissens möglich. »Musik und Kunstgeschichte sind das absolute Pflichtprogramm«, sagt Claus Peter. Schon als Jugendlicher war er fasziniert von Glocken, von ihrem Klang und ihrer Geschichte. Seine Heimatstadt Bamberg bot ihm dazu reiches Material, mit dem er sich systematisch beschäftigt hat: In der Altstadt des oberfränkischen Bischofssitzes hängen in 21 Kirchen über 40 Glocken, entstanden zwischen dem 12. und 19. Jahrhundert.
Claus Peter hat sich dann beruflich für die Musik entschieden. Die Glocken haben ihn immer begleitet. Umfangreich und vielfältig ist das Wissen, das er sich aneignete – im geisteswissenschaftlichen, musischen, aber auch im technischen Bereich. »Ein Glockensachverständiger muss sich auf Augenhöhe unterhalten können nicht nur mit einem Kirchenmusiker, einem Denkmalpfleger und Kunsthistoriker, sondern auch mit einem Zimmermann, einem Bauingenieur und nicht zuletzt mit einem Glockengießer.«
Natürlich gehören auch theologische Kenntnisse dazu, schließlich geht es um Liturgie, wenn etwa Glocken am Werktag mehrmals oder zu den einzelnen Gottesdiensten unterschiedlich läuten. Dahinter steht eine alte Tradition. »Der Tag bekommt eine Struktur, regelmäßiges kurzes Innehalten bringt ins Bewusstsein: Es ist gut, sich im Getriebe des Tages immer wieder zu besinnen.« Das bestätigt eine aktuelle Erkenntnis der Medizin und Psychologie: Burnout oder anderen Stressfolgen kann durch die Rhythmisierung des Tages vorgebeugt werden. Dem Hören folgt also das Innehalten, dem sich ein Gedenken – etwa an einen nahestehenden Menschen – und vielleicht auch ein Gebet anschließen kann. »Gerade in einer zunehmend multireligiösen und pluralistischen Gesellschaft macht das Geläut der Glocken die Präsenz der Kirche deutlich und erinnert an das, was sie uns zu sagen hat«, erklärt Claus Peter.
Unterwegs für den guten Klang
Damit diese Erinnerung möglichst rein und harmonisch geschieht, ist der Glockenfachmann unermüdlich in westfälischen Kirchengemeinden unterwegs. Der Klang der Glocken ist ihm eine Herzensangelegenheit. Geduldig und beharrlich leistet er Überzeugungsarbeit in Presbyterien. Was ihn manchmal schmerzt: Oft sei selbst bei Pfarrern und Gemeindeleitungen kaum Kenntnis über das Geläut im eigenen Kirchturm vorhanden. Und auch nicht über den Wert der klingenden Kleinode. Oft finde jahrelang niemand den Weg in den Glockenstuhl. Aber: »Die regelmäßige Begehung des Turmes gehört zur Bauunterhaltung.« Schließlich gehe es auch um Sicherheitsfragen.
Nicht selten begegnet Claus Peter dem Wunsch eines Presbyteriums nach möglichst mächtigen Klangkörpern. So war es auch nach einem Kirchenbrand, dem drei große Stahlglocken zum Opfer gefallen waren. Solche sollten es wieder sein. Die Einwände des Fachmanns, ein »schlankes« Geläut aus Bronzeglocken sei den Platzverhältnissen im Turm angemessener, zudem viel schöner und würde sich außerdem den Glocken der benachbarten katholischen Kirche viel besser anpassen – diese Einwände wollte man nicht hören. Schließlich konnte er die Verantwortlichen zu einer kleinen Exkursion bewegen: zu einer Kirche, deren fünf etwas kleinere Glocken ihm in diesem Fall vorbildlich schienen. Schon als vier davon ertönten, waren die angereisten Presbyter angetan von dem vollen Klang. Als noch die fünfte dazukam, waren sie begeistert. Die Entscheidung war gefallen.
Claus Peters Beratung zielt auch auf den Erhalt wertvoller alter Glocken. In der Evangelischen Kirche Bönen hängen drei besonders kostbare Exemplare aus dem 16. und 17. Jahrhundert. (Dass sie hier nicht die ersten Glocken waren, zeigt die Jahreszahl 1425 in einem Balken des Glockenstuhls, der als Holzkonstruktion frei im Turm steht und sich über zwei Geschosse erstreckt.) Und nun spricht der Sachverständige fast mitfühlend über die Glocken von Bönen: »Die drei übernehmen den gesamten Läutedienst, das entspricht allein für das Gebetläuten über 50 Stunden Dauerbetrieb im Jahr, die Gottesdienste nicht mitgerechnet.« Zur Entlastung empfiehlt er die Anschaffung einer kleineren vierten Glocke, die sich gut einfügen würde.
Claus Peter ist als Glockenfachmann in ganz Deutschland unterwegs. Besonders das Geläut in Ostseestädten wie Rostock, Stralsund oder Greifswald ist ihm vertraut. Die damalige mecklenburgische Landeskirche hatte keinen eigenen Glockenbeauftragten. So ergab es sich, dass er als Pensionär im vergangenen Jahr promovierte. Seine Dissertation ist ein musik- und kunstgeschichtliches Porträt der Glockenlandschaft in der Stadt Wismar.
Ihr Ansprechpartner:
Claus Peter
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Matthias Overbeck
Glockensachverständiger (BA)
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