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Präses Annette Kurschus: Vertrauen wächst jenseits des Vertrauten

Zwischen Fremdheit und Vertrauen

Zwischen Fremdheit und Vertrauen spielt sich vieles ab, „was uns derzeit in Kirche und Gesellschaft intensiv bewegt und bedrängt“, sagte Präses Annette Kurschus am Sonntag (18.11.) vor der Landessynode in Bielefeld: „Unser kirchliches Reden, Entscheiden und Handeln bewegt sich gegenwärtig im Spannungs- und Kraftfeld zwischen diesen beiden Polen“, so die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Mit ihrem Bericht eröffnete die Präses die Tagung des „Kirchenparlaments“, das noch bis Mittwoch zusammenkommt.
Besonders deutlich werde die Spannung zwischen Fremdheit und Vertrauen beim Thema Migration. Hier zeige sich, dass Vertrauen - oft überraschend - gerade mitten in der Fremdheit entstehen und wachsen könne. „Der Streit um die Migration brachte Verschiebungen und Verwerfungen hervor, die ein galoppierendes Selbstmisstrauen offenbaren.“ Migration sei nicht die einzige Herausforderung und Überlebensfrage unserer Gesellschaft, sagte Präses Kurschus. Es sei schändlich und verlogen, wenn Migranten „als die eine und einzige Ursache für alles herhalten müssen, was in unserem Wirtschafts-, Bildungs- und Sozialsystem zu kritisieren ist und der Veränderung bedarf“. Der Synode wird am Montag ein Arbeitspapier zu Kirche und Migration vorgelegt, das Grundlage für einen einjährigen Diskussionsprozess auf allen Ebenen der Landeskirche sein wird. Für Präses Kurschus ist dies eine Einladung, „genau hinzusehen und hinzuhören auf die vielfältige und überraschende, beklemmende und beglückende, verwirrende und verheißungsvolle Wirklichkeit von Migration“.

Die Spannung zwischen Fremdheit und Vertrauen bestimme auch das Verhältnis der jungen Generation zur Kirche. Herkömmliche religiöse Formen und konfessionelle Bindungen seien Jugendlichen zunehmend fremd. Die Präses berichtete von Jugendlichen, die sich in der Diskussion über das Motto des Dortmunder Kirchentages 2019 eingebracht haben. Sie wollten ein Leitmotiv, das nicht vollmundig und nicht selbstgewiss klingt. Der christliche Glaube sei nicht einfach die Lösung drängender globaler Probleme und Antwort auf alle Fragen. „Was ist das eigentlich für ein Vertrauen, das wir da haben?“, so die Frage der Jugendlichen. Unter diesem Leitmotiv steht nun der Kirchentag 2019: „Was für ein Vertrauen“.

Der massive Vertrauensverlust, der durch sexualisierte Gewalt auch in der evangelischen Kirche entstanden sei, bringe zuerst für die Betroffenen und deren Familien und dann auch für die Kirche als „Vertrauensraum“ verheerenden Schaden mit sich. Kurschus: „Wir müssen noch aufmerksamer hinschauen und noch konsequenter handeln. Das werden wir auch tun.“ In der westfälischen Landeskirche  werden – zusätzlich zu bereits bestehenden Hilfsangeboten – Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch entwickelt; ein Kirchengesetz wird dazu Verbindlichkeit schaffen.
Dass Vertrauen auch und gerade jenseits des Vertrauten möglich ist – diese Gewissheit „zieht sich als gemeinsamer roter Faden durch die überaus zahlreichen Migrationsgeschichten der Bibel“, sagte die Theologin. Vertrauen sei immer mit Sich-Verlassen verbunden – das bedeute, von sich selbst abzusehen und sich auf Anderes und Andere einzulassen. Der Andere „ist für Christenmenschen zuerst und zuletzt Gott selbst, der uns – und alle Menschen – in seinem Sohn Jesus Christus zu seinen Nächsten macht und uns sein göttliches Vertrauen entgegenbringt.“
(Synode aktuell 1/2018)

 

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