Zum Reformationstag 2022: Kurschus fordert Waffenstillstandsgespräche
„Verachtet Verhandlungen nicht!“
In ihrer Predigt am Reformationstag rief die Präses der westfälischen Kirche zu Verhandlungen über ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine auf.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus fordert die Aufnahme von Waffenstillstandsgesprächen für die Ukraine. In ihrer Predigt am Reformationstag 2022, die Kurschus in der Wittenberger Schlosskirche hielt, ermutigte die Ratsvorsitzende dazu, der Kraft des Wortes im Ukrainekrieg mehr zuzutrauen und Wege zur Deeskalation zu suchen: „Die Alternative zum gerechten Frieden darf doch nicht endloser Krieg sein. Niemals darf Krieg die Politik ersetzen“, postulierte die leitende Theologin. „Darum: Verachtet Verhandlungen nicht. Glaubt an die Kraft des geistesgegenwärtigen Wortes. Traut den kleinsten Schritten etwas zu.“
Kurschus sprach in ihrer Predigt in Wittenberg, dem Ursprungsort der Reformation, über Psalm 46, nach dem Luther einst sein Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ dichtete: „Der Psalm von der festen Burg ist ein Text aus dem Gesangbuch Israels, von Kriegserlebnissen und Kriegserinnerungen durchtränkt“, erinnerte die Präses. Er sei ein Gebet von Bedrängten und für Bedrängte, die „Opfer eines zerstörerischen Angriffs einer feindlichen Großmacht“ seien. Die Perspektive des Reformationstags-Psalms, so Kurschus, sei das Schweigen der Waffen: „Gott macht den ewigen Kreisläufen der militärischen Aktionen ein Ende und schafft Ruhe. Ein für alle Mal – das ist die Hoffnung“.
Die Ratsvorsitzende erinnert an die friedensstiftende Kraft des Wortes. „Wir können Gottes Handeln nicht ersetzen, aber ihm vorlaufend die Bahn ebnen. Durch kleine, vermeintlich unscheinbare Gesten, die manchmal Unvermutetes bewirken und eine Kultur der Entfeindung schaffen." Frieden könne letztlich nur durch Verhandlungen erreicht werden, gerade wenn er ein gerechter Friede sein solle.
Friedensverhandlungen jedoch seien derzeit in weiter Ferne. Umso nötiger erachtet die EKD-Ratsvorsitzende Gespräche, die auf einen Waffenstillstand zielen. „Friede kann letztlich nicht durch Waffen entstehen, sondern nur durch das Wort.“
Christinnen und Christen ruft die westfälische Präses und EKD-Ratsvorsitzende zum Gebet auf: „Betet um Frieden – um den Frieden, der durch menschliche Vernunft werden kann, und um den Frieden, der höher ist als all unsere Vernunft.
Hintergrund:
Am Reformationstag erinnern Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch die Veröffentlichung der 95 Thesen von Martin Luther. Mit seiner Kritik an der Kirche seiner Zeit hat Luther Veränderungen angestoßen, die später zum Entstehen der evangelischen Kirche führten. Der Reformationstag ist Feiertag in neun Bundesländern, in den evangelischen Kirchen wird mit Gottesdiensten der Ereignisse am 31. Oktober 1517 gedacht.