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Präses Annette Kurschus: Höchste Motive verursachen oft tiefstes Leid

Religion kann in ihr Gegenteil verkehrt werden

Die westfälische Präses Annette Kurschus hat vor der Gefahr einer Verkehrung ins Gegenteil gewarnt, die in jeder Religion enthalten ist. Wo die Grenze zwischen Gott und Mensch nicht anerkannt werde, könne sogar Gewalt drohen im Namen eines instrumentalisierten Gottes, sagte sie am Freitag (7.4.) in Essen.

Die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen hielt eine Fastenpredigt im katholischen Essener Dom. Die Predigt war Bestandteil einer Reihe unter dem Motto »Alle sollen eins sein« zur Erinnerung an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren.

Die Aussage, religiös begründete Verbrechen hätten mit recht verstandener Religion nichts zu tun, sei »falsch oder zumindest reichlich dünn«, sagte Präses Kurschus und bezog sich dabei auf islamisch begründete Gewalttaten wie im Irak, in Syrien oder die Terrorangriffe in London oder St. Petersburg. Ebenso nannte sie Beispiele für Aggression unter christlichem Vorzeichen: den Irakkrieg von Präsident George W. Bush oder den von der orthodoxen Kirche befeuerten russischen Nationalismus.

»Nicht selten waren es die höchsten Motive und die ehrwürdigsten Traditionen ausgerechnet der Religionen, die tiefstes Leid verursachten.« Religion sei nicht von sich aus gut oder schlecht. »Auch unser gemeinsamer christlicher Glaube ist es nicht. Er ist immer zwiespältig; immer ambivalent.« Davon erzähle schon die Bibel, etwa in der Geschichte von der Versuchung Jesu (Matthäus 4,1-11): »Wo Gott zum Menschen kommt, gerät der Mensch in Versuchung. Die menschliche Versuchung liegt nahe, Gott nicht Gott sein zu lassen.«

Präses Kurschus warnte auch davor, Bibelzitate aus dem Zusammenhang zu reißen: »Manche greifen zum Gotteswort wie in eine Zauberkiste und nehmen flugs einen passenden Vers heraus. Ich vermute, diese Versuchung ist für uns Evangelische besonders stark.« Aber die Bibel in der Vielfalt ihrer Aussagen könne nur durch Auslegung und Interpretation recht gehört werden.

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