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Präses Annette Kurschus schlägt lokale Bündnisse für fairen Kommunalwahlkampf 2020 vor

„Mut zum Zutrauen ins Unglaubliche“

MedienInfo: Synode aktuell Nr. 2
 

In ihrem Bericht vor der Westfälischen Landessynode hat Präses Annette Kurschus am Montag (18.11.) aktuelle Themen in Kirche und Gesellschaft angesprochen.

„Wir haben kein Recht, von der christlichen Hoffnung zu schweigen“

Für die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen sind gelebte Vielfalt und Umgang mit Pluralität ein Wesensmerkmal der Christen, „weil ihr Ureigenes selbst das Vielfältige, der Fremde, Andere ist“. Der christliche Glaube könne Gott nicht eindeutig machen oder erklären: „Gott ist zuallererst der grundlegend Andere, Fremde.“ Deshalb tauge das Christentum nicht als Kampfmittel gegen gesellschaftliche Vielfalt. Scharf verurteilte sie jeden Versuch, das „christliche Abendland“ ins Feld zu führen gegen alles Fremde: „Empörend selbstverständlich wird das Christliche immer wieder als Bollwerk gegen Vielfalt missbraucht – und so zu einer hässlichen Fratze entstellt.“Zugleich ermutigte die Präses dazu, den christlichen Glauben klar zu bekennen: Aus vorsichtiger Rücksichtnahme und „aus lauter Furcht, als intolerant zu gelten oder gar des dogmatischen Fundamentalismus verdächtigt zu werden, vermeiden wir es im Zweifelsfall lieber ganz, ausdrücklich von der Wahrheit zu reden, in deren Licht wir Christen unterwegs sind. Und von der Hoffnung, die unser Leben trägt“, sagte die leitende Theologin. Die Geschichten der Bibel von Befreiung und Trost, von Errettung und Heilung müssten lebendig bleiben: „Unsere Kinder und Enkel müssen von der christlichen Hoffnung erfahren. Wir haben kein Recht, davon zu schweigen.“Dabei sei die Kirche aufgefordert, ihre Formate, Ordnungen und Gesetze kritisch zu überprüfen und auch gänzlich neue Projekte und Versuche zu ermöglichen. Angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen gebe es „die schlichte Pflicht, auch in organisatorischer und finanzieller Hinsicht nüchtern und verantwortungsvoll mit dem umzugehen, was uns anvertraut ist, und unsere Strukturen der Realität anzupassen“.Der christliche Glaube befreie zu einem „Zutrauen ins Unglaubliche“ – und schärfe zugleich die Sinne für die konkreten Herausforderungen der Wirklichkeit. Die christliche Hoffnung „ist die entscheidende, lebens- und überlebensnotwendige Kraft, die wir in die gesellschaftlichen und politischen Diskurse unserer Zeit hineinzutragen haben“. Als Beispiele für „Spuren der Wahrheit Gottes mitten in der Welt“ nannte Annette Kurschus den Dortmunder Kirchentag im vergangenen Sommer, den ökumenischen Gedenkgottesdienst in Warschau 80 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und den Klimaaktionstag am 20. September, an dem an zahlreichen Orten in Westfalen viele Christen aktiv mitwirkten.

Klimaneutrale Kirche in 20 Jahren

„Die Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung führen uns eindrücklich vor Augen, wie die Alten von den Jungen lernen müssen“, sagte Annette Kurschus. Die Jungen hätten die Klimafrage endlich mit dem nötigen Nachdruck ins öffentliche Bewusstsein gerufen. Selbstkritisch räumte die Präses ein: „Wir waren bislang nicht laut genug, um Veränderung zu bewirken. Wir waren bislang nicht beharrlich genug, um einer nachhaltigen Politik aufzuhelfen. Wir sind bislang nicht konsequent genug im Kehren vor unserer eigenen Haustür.
“Mit Nachdruck wiederholte sie das Klimaversprechen, das sie auf dem Kirchentag in Dortmund abgegeben hat: Alle Bereiche des kirchlichen Lebens werden konsequent in den Blick genommen – von Gebäudeisolierung, Heiztechnik und Fotovoltaik über Fragen der Mobilität bis hin zu den Würstchen beim Gemeindefest. Die westfälische Landeskirche werde ihr selbst gestecktes Klimaziel bis 2020 erreichen und ihre CO2-Emission gegenüber 1990 um rund 40 Prozent reduzieren. Die Präses fügte hinzu: „Halten wir an der Option fest, dass unsere Kirche in spätestens zwei Jahrzehnten klimaneutral lebt und handelt!“Christen engagierten sich hier im Vertrauen auf Gottes Verheißung, dass einmal alles gut werden wird mit dieser Welt: „Aus unserer von Gott genährten Hoffnung gewinnt alles, was wir für Gottes Schöpfung tun, seinen starken Grund, sein gewisses Ziel und seine unermüdliche Kraft.“

Vorschlag: Lokale Bündnisse für fairen Kommunalwahlkampf 2020

Die Präses rief zu einer neuen Sorgfalt im politischen Diskurs auf, zu Respekt im Umgang und zu einer Sprache, „die Anstand und Argument vor Anrempelung und Attacke setzt“. Notwendig sei eine neue Haltung der Anerkennung und der Achtung für diejenigen, die sich für das Gemeinwesen einsetzen – ob Menschen in der Kommunalpolitik, Rettungssanitäter, Justizangestellte oder Polizisten. In der demokratischen Kultur und im politischen Europa sei der Zusammenhalt brüchig geworden. „Unsere Kinder müssen Demokratie und Frieden wieder ganz neu lernen als kostbare Errungenschaften, um die man kämpfen und die man sorgsam pflegen und gestalten muss.“Die Grenze dessen, was „man doch wohl noch wird sagen dürfen“, habe sich bedrohlich nach rechts verschoben. Die Vergiftung der Sprache in weiten Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses sei ein Nährboden für Verbrechen wie die Morde in Halle oder am Kasseler Regierungspräsidenten. Für die Kommunalwahlen 2020 regte Präses Kurschus an, lokale Bündnisse zu bilden für anständigen Streit und respektvolles Ringen im Wahlkampf: „Bündnisse, in denen man sich zu Respekt und Fairness in der politischen Auseinandersetzung und zu menschlichem Umgang miteinander verpflichtet und sich persönliche Verunglimpfungen, Herabsetzungen, Drohungen und nicht zuletzt die Ausgrenzung von Minderheiten verbindlich verbittet und verbietet.“ Ihr Appell richtete sich an Kirchengemeinden und Kirchenkreise, die in dieser Sache das Gespräch mit den Ratsfraktionen und den lokalen Kandidatinnen und Kandidaten, Parteien und Gruppen suchen sollten.

Christen gehören an die Seite ihrer jüdischen Geschwister

„Wir Christenmenschen gehören an die Seite unserer jüdischen Geschwister“, erklärte die Präses angesichts eines erstarkenden Rechtspopulismus und rechtsnationalen Terrors. „Sie waren nie weg. Jetzt treten sie mit Macht an die Oberfläche und reißen andere mit hinein in ihre Dummheit und ihren Wahn.“ Zivilcourage gegen antijüdische Haltungen und Übergriffe steht für Annette Kurschus in keinerlei Widerspruch zur doppelten Solidarität mit Israelis und Palästinensern im Nahostkonflikt, die sie nachdrücklich unterstützt. Hier gelte es – gegen alle Denkfaulheit – sorgfältig zu differenzieren.

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