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Thementag mit Präses Annette Kurschus über die Zukunft der Kirchenmusik

Musik spricht mehr Resonanzräume an als das Wort

„Die Welt kommt ohne unser musikalisches Gotteslob nicht aus, wenn die Hoffnung in ihr lebendig bleiben soll – und wenn wir alle gemeinsam den Mut zum beherzten Handeln behalten wollen.“ Davon ist Präses Dr. h. c. Annette Kurschus überzeugt.

Beim Thementag „Quo vadis musica sacra – wie klingt Kirchenmusik morgen?“ am Montag (20.5.) in der Jugendkirche Hamm betonte sie die stilistische Vielfalt der Kirchenmusik und ihre ökumenische Weite: „Die Welt braucht das Singen und Musizieren der Kirche – ob auf evangelisch oder katholisch, ob im neuen geistlichen Lied oder im Psalmengesang, ob zur Gitarre oder zur Orgel, ob vom Keyboard oder von Blechbläsern begleitet.“

Das Treffen, an dem rund hundert haupt- und nebenamtliche Kirchenmusikerinnen und –musiker teilnahmen, beschloss eine Reihe von Begegnungstagen, an denen die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) mit Vertretern kirchlicher Berufe zusammenkam: Verwaltungsangestellte, Gemeindepädagogen, Küsterinnen und Küster. Dabei ging es um die jeweiligen Arbeitsbedingungen, um berufsspezifische Sorgen und Probleme ebenso wie um Chancen und Möglichkeiten.

Für Präses Kurschus ist die evangelische Kirche ohne Musik undenkbar. Dafür nannte sie auch theologische Gründe: In ihrer Vielstimmigkeit entspricht die Musik der Vielfalt evangelischen Lebens. Musik aktiviert viele und sorgt so für Teilhabe. Wer im Chor singt, lässt seine Stimme hören und hört zugleich auf andere – auch im Glauben verbinden sich aktive Verkündigung und Zuhören. Und: Nicht wenige Menschen, die der Kirche ansonsten fern stehen, singen in Chören geistliche Musik, nehmen also an der Verkündigung teil. „Wir sind eine Kirche der offenen Türen, und dafür steht die Kirchenmusik besonders“, sagte Annette Kurschus. „Musik spricht wesentlich mehr Resonanzräume im Menschen an als das Wort.“

Harald Schroeter-Wittke: Die Kirchenmusik der Zukunft ist Unterhaltungsmusik

Wie aber wird die Zukunft aussehen? Wie klingt Kirchenmusik morgen?
Professor Dr. Harald Schroeter-Wittke lehrt Didaktik der Evangelischen Religionslehre am Institut für Evangelische Theologie der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. „Die Kirchenmusik der Zukunft ist entweder Unterhaltungsmusik oder sie wird ungehört verhallen“, sagte er. Die Provokation dieser These wird etwas abgemildert, wenn man seiner Definition von „Unterhaltung“ folgt. Demnach ist Unterhaltung nutritiv (ernährend): Sie gewährt Unterhalt, sorgt also für das Lebensnotwendige. „Diese nährende Unterhaltungsdimension von Kirchenmusik realisiert sich in ihrer Lebensweltorientierung.“ Unterhaltung ist außerdem kommunikativ, so Schroeter-Wittke. Damit meint er den Austausch auf Augenhöhe: „Kirchenmusik schafft eine Atmosphäre der Partnerschaft unter Gleichberechtigten.“ Und schließlich: Unterhaltung ist delektarisch, das heißt: „Sie macht Spaß. Sie amüsiert uns. Sie berührt uns. Sie ist rührend. Sie erheitert und erleichtert.“ Um all das zu erfüllen, muss Kirchenmusik gabenorientiert gestaltet werden. Und weil nicht alle Menschen allseits musikalisch begabt sind, müssen die Anforderungen und Strukturen so beschaffen sein, dass die Musiker an ihrer Arbeit nicht den Spaß verlieren.

Gestaltungsräume und Kirchenkreise sollten kirchenmusikalische Gesamtkonzepte entwickeln, um für die jeweils zu den Gemeinden passende Musik zu sorgen. A-Musikerinnen und A-Musiker würden dann in Zukunft viel stärker zu Managern solcher gemeindekulturpädagogischer Strukturen werden, die für entsprechende Ausbildungs- und Fördermöglichkeiten sorgen.

Jörg Spitzer: Nutzen wir den Trend zum Rudelsingen!

 Jörg Spitzer verantwortet bei  der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal den Arbeitsbereich Internationale Bildung in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Pop-Akademie Witten. In Zukunft, so glaubt er,  wird die Musik in der Kirche „aktueller und facettenreicher“. Er ermutigte zu stilistischer Breite, denn Menschen und ihre musikalischen Sprachen und Erlebniswelten seien ernst zu nehmen. Musik habe integrative und missionarische, auch milieuübergreifende Möglichkeiten, die genutzt werden sollten. Außerdem wird die Kirchenmusik der Zukunft partizipativer: „Menschen wollen singen und geben Geld dafür aus, mit anderen singen zu dürfen“, etwa Weihnachtslieder in einem Fußballstadion. „Nutzen wir den Trend zum Rudelsingen!“, appellierte Spitzer. Und schließlich wird die Musik in der Kirche „multikultureller“. Denn sie bringt Menschen in internationalen und interkulturellen Gruppen zusammen – eine Chance, gemeinsam musikalisch Kirche zu sein. So kann Gottesdienst zum Erlebnis werden: „Menschen werden Gottesdienste wieder als attraktiv empfinden, wenn sie das Wort Gottes nicht nur hören, sondern erleben können.“ Dazu gehört auch, Gottesdienste wirklich zu feiern, wie es im Eingangsvotum heißt: Wir feiern Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Spitzer fragte kritisch: „Ist das, was dann abläuft, immer zutreffend mit dem Begriff des ‚Feierns‘ beschrieben?“ Er brachte den Begriff „Kirchenmusiker mit Feierkompetenz“ ins Spiel: „Wo Menschen zusammen feiern, werden andere Menschen aufmerksam und schließen sich gerne an.“

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