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Interview mit Jochen Kaiser, neuer Rektor der Hochschule für Kirchenmusik

„Musik öffnet Räume in die Gesellschaft hinein“

Es ist eine spannende Aufgabe, für die sich Jochen Kaiser entschieden hat. Der neue Rektor der westfälischen Hochschule für Kirchenmusik, deren bisherige Standorte in Herford (klassisch) und Witten (popular) bald in Bochum vereinigt werden sollen, will vor allem eine Kultur der Gemeinsamkeiten etablieren. Im Interview spricht der gebürtige Greifswalder darüber, welche Rolle Kirchenmusiker*innen in künftigen Formen von Gemeinde spielen können und warum sich deshalb auch die Lehre weiterentwickeln muss.

Jochen Kaiser, was fühlen Sie, wenn Sie an Ihre neue Aufgabe ab dem 1. Mai denken?
Jochen Kaiser:
Respektvolle Begeisterung. Es wird darum gehen, mit der Vereinigung in Bochum nicht das eine im anderen aufzulösen, sondern einen Weg zu finden, der das Gute von beidem in sich trägt und trotzdem etwas Neues ist. Darauf freue ich mich sehr. Und Respekt habe ich, weil es natürlich eine Riesenaufgabe ist. Es wird sicher auch mal Momente geben, in denen ich nicht sofort eine Antwort parat habe.

Was wollen Sie als Erstes anpacken?
Kaiser:
Das kann ich konkret noch gar nicht sagen, dafür muss ich alles erst einmal kennenlernen. Das wäre ja vermessen, weil beide Standorte schon jetzt hochprofessionell arbeiten. Es würde aber definitiv um Vereinigung gehen, und sei das nur die Einführung einheitlicher E-Mail-Adressen unter dem Dach der EKvW, um noch sichtbarer als Teil der Kirche aufzutreten. Denn natürlich ist Kirchenmusik das, was wir können und tun, aber wir müssen da, glaube ich, stärker noch als bisher das Ganze mitdenken.

Aus Ihrer Erfahrung als Kirchenmusiker in Gemeinden: Welche Rolle spielt die Musik dort für die Menschen?
Kaiser:
Einerseits ist es ein bewahrender Faktor für das, was sonst vielleicht keine Chance hätte, so weiter zu bestehen, in seiner klassischen Form, zum Beispiel mit regelmäßigen Musikgruppen und Chören. Andererseits kann sie in anderen Formaten auch ganz neuen Menschen einen Zugang zu Spiritualität bieten, mit Gospelprojekten oder Angeboten für Kinder. Die Musik hat das Potenzial, ohne zu vereinnahmen, Räume zu öffnen in die Gesellschaft hinein.

Wie kann sich die Ausbildung von Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern noch stärker auf die sich verändernden Strukturen von Gemeinde einstellen?
Kaiser:
Wir müssen beides tun: eine musikalisch-spirituelle Ausbildung bieten, aber nicht vergessen, dass wir für einen Markt ausbilden. Es braucht die Arbeit mit dem eigenen Instrument, es braucht aber auch den Blick dafür, dass man in Gemeinde natürlich im Team arbeitet. Darum ist der Plan nach Bochum zu gehen, auf den Campus der Evangelischen Hochschule und in die Nähe der Ruhr-Universität mit ihrer theologischen Fakultät, so sinnvoll. Weil das ganz neue Räume für Vernetzung bietet, schon im Studium. Und so kann man in Gemeinden letztlich Projekte entwickeln, die für eine breite Gesellschaftsschicht interessant sind.

Das heißt, die Lehre der Kirchenmusik in Westfalen muss sich in den kommenden Jahren verändern?
Kaiser:
Unbedingt. Und das gilt genauso für die Theologie und die Gemeindepädagogik.

Wie könnte das aussehen?
Kaiser:
Also, mal ganz verrückt in die Zukunft gedacht: Man könnte das erste Semester als gemeinsames für die verschiedenen kirchlichen Berufe etablieren. Dann hätte man idealerweise eine theologische, eine musikalische, eine katechetische und eine diakonische Grundausbildung. Deswegen war ich ja so begeistert, dass die Kirchenleitung die Entscheidung für Bochum getroffen hat. Da gibt es so viele Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Begegnung, für kombinierte Studiengänge vielleicht sogar. Das wird dauern, aber dafür kann man jetzt die Weichen stellen.

Wo und wofür brauchen Gemeinden künftig ihre Kirchenmusikerinnen und -musiker?
Kaiser:
Die Bedürfnisse sind sicher sehr unterschiedlich. Wichtig ist, dass die Gemeinden herausfinden, was gebraucht wird. Sie sollten ihren Sozialraum analysieren und klären: Welchen Bedarf gibt es denn bei uns eigentlich und wie können wir mit passenden Angeboten zu den Menschen rausgehen? Denn wir tragen Verantwortung für diesen Sozialraum. Danach kann man auch Profile für Stellen ausrichten. Es ist etwas anderes, ob man Kirchenmusiker in einer Gemeinde mit vielen Familien ist oder dort, wo vorrangig ältere Menschen leben.

Wie bekommt man das in der Lehre schon mitgedacht?
Kaiser:
Eine Möglichkeit wäre, Studierende früher mit Gemeinden in Kontakt zu bringen. Dass sie eine Zeitlang die Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen vor Ort begleiten. Schauen, wie sind die Begebenheiten und was wird hier gebraucht? Und dann hätte man bei Ausscheiden eines Musikers oder einer Musikerin auch schon jemanden, der oder die in der Gemeinde bekannt ist. Man wüsste voneinander, ob es passt oder nicht, könnte voneinander lernen. Und die Studenten wären in jedem Fall gut auf die Praxis vorbereitet.

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