Bilanz des ersten Durchgangs
Kompassjahr als wichtiger Baustein der Nachwuchsgewinnung
„Alles was wir machen müssen, ist Jugendlichen gute Erfahrungen mit Kirche zu ermöglichen“, so fasst ein Kollege auf dem Pfarrkonvent den Machkirche Impuls zur Nachwuchsgewinnung zusammen. Genau darum geht es: Meist entscheiden sich Jugendliche auf der Basis einer praktischen Erfahrung – in der Regel in einer Kirchengemeinde oder in der Evangelischen Jugend – für einen kirchlichen Beruf.
In der EKvW sind wir darum gut beraten, solche guten Erfahrungsmöglichkeiten rund um kirchliche Berufe zu schaffen. Das Kompassjahr ist so ein organisierter Erfahrungsraum. Der erste Durchgang mit 14 teilnehmenden Jugendlichen ist im Sommer 2024 abgeschlossen worden, eine erste Bilanz kann gezogen werden.
Organisiert wird das Kompassjahr als Freiwilligendienst (Diakonisches Jahr) vom Amt für Jugendarbeit der EKvW. Es enthält die bewährten Elemente der pädagogischen Begleitung (z. B. die Reflexion und die Bildungsseminare). Das Kompassjahr bekommt darüber hinaus mehr Konturen hinsichtlich der persönlichen Spiritualität und der beruflichen Orientierung in einem kirchlichen Beruf. Dabei stehen die je eigenen Talente der Teilnehmenden im Vordergrund.
Was in der Mitarbeit in der eigenen Gemeinde angeregt wurde und in einem Schulpraktikum eine erste Bestätigung fand, kann durch ein organisiertes Berufserkundungsjahr gefestigt werden. Die Rückmeldungen in der Befragung nach dem ersten Durchgang belegen, dass genau das bei der Mehrzahl der Teilnehmenden stattgefunden hat:
„Ich habe gelernt, dass mir der Umgang mit Menschen doch liegt und ich diese Form der Arbeit bewältigen kann“, so ein*e Teilnehmer*in.
Jemand anderes formuliert, „dass sich das alles noch gefestigt hat und ich noch stärkere Praxiserfahrung bekommen konnte, als nur Ehrenamtliche zu sein.“
Darin liegt also die große Stärke und das soll gerne weitergesagt werden: Jugendliche können in ihrem Kompassjahr eine Vergewisserung in ihrer Berufswahl finden. Sie knüpfen in der Regel an eine praktische Vorerfahrung an und nehmen sich selbst als kompetent war. Sie „wachsen über sich hinaus“, wenn ihnen diese Expertise während ihres Kompassjahres zugesprochen wird.
Wer sind diese Jugendlichen bzw. woher haben sie sich zur Teilnahme einladen lassen? Hier gibt es einen kleinen Eindruck, einige Teilnehmende stellen sich und ihre Motivation hier vor. In einem Kurzfilm während des Eingangsseminars äußern sich die Teilnehmenden über ihre Erwartungen und Ziele. Neun von ihnen haben angegeben, zuvor schon in ihrer Kirchengemeinde aktiv gewesen zu sein, nur zwei gaben an, vorher gar nicht ehrenamtlich aktiv gewesen zu sein.
In der Regel war es dann eine Person, die sie auf das Angebot „Kompassjahr“ aufmerksam gemacht hat. In sieben Fällen war das eine hauptamtliche Person, Pfarrer*in oder Gemeindepädagog*in, ansonsten waren es Freunde oder andere Menschen, zu denen ein Kontakt über die Schule oder Jugendarbeit bestand. Zwei Jugendliche brachten ein Fachabitur mit – für dessen berufspraktischen Teil das Kompassjahr als gelenktes Praktikum gilt. Alle anderen hatten ein Abitur.
Bei ihrer Anmeldung hatten die Teilnehmenden einen Schwerpunkt für ihr Kompassjahr ausgewählt. Vom Grundsatz her kam jeder kirchliche Beruf dafür in Frage. Bei den Einsatzstellen war die Vorgabe, im Vorfeld solche Orte als Erfahrungsräume zu identifizieren, an denen schon heute in Ansätzen „Kirche von morgen“ erlebbar ist. Zusätzlich zu dieser Einsatzstelle im gewählten Schwerpunkt sollte es noch mindestens einen anderen Einsatzort mit einer erweiterten Erfahrungsmöglichkeit geben.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass fast alle Jugendlichen im Umfeld ihres Heimatortes / -kirchenkreises geblieben sind. In sieben Fällen war die Einsatzstelle in einer Kirchengemeinde, in den meisten anderen Fällen in einem Kirchenkreis. In einem Fall fand ein Umzug an den Ort der Einsatzstelle statt. Ein Teil der Einsatzstellen ist auf Initiative der Teilnehmer*innen des Kompassjahres entstanden. Bei der Auswertung gab nur eine Person an, während des Kompassjahres an einem weiteren Ort als der Einsatzstelle hospitiert zu haben. Drei Jugendliche berichten ausdrücklich von Einblicken in mehrere Berufsfelder.
In Gesprächen und auch in der Auswertung am Ende wurde deutlich, dass die Teilnehmenden den kirchlichen Bezugspunkt des Kompassjahres deutlich benennen können: sie haben ihr FSJ mit oder bei der Kirche gemacht, diese Verbindung wurde gefestigt. Oft ist das auf die Gemeinde vor Ort oder den Kirchenkreis bezogen gewesen, deren Strukturen sie mal mehr, mal weniger hilfreich fanden.
Die Auswahl der Einsatzstelle ist entscheidend für die Erfahrung im Kompassjahr mit „einer Kirche von morgen“. An vielen Orten in Westfalen kann im Augenblick erlebt werden, dass sich die Arbeit bei der Evangelischen Kirche intensiv verändert: Durch IPTs, durch kleine und große Experimentierräume und viel Liebe zu neuen Ideen. Jugendliche nehmen sehr wohl wahr, wo Strukturen vorhanden sind, die die Arbeit verkomplizieren bzw. die Freude daran nehmen.
Was hatten sich die Jugendlichen am Anfang vorgenommen? In der Regel eine gezielte Überprüfung:
Passt dieser hauptamtliche Arbeitsbereich zu mir?
Bringe ich die notwendigen Fähigkeiten mit?
Und es ging auch um die Frage: Kann ich mir die Arbeit bei der Kirche vorstellen?
Denn in der Regel gibt es ja auch einen Plan B bzw. die Alternative, bei einem anderen Träger oder in einem anderen Beruf zu arbeiten: Als Sozialarbeiter*in oder Lehrer*in, wie einige der Jugendlichen ihre beruflichen Alternativen anfangs beschrieben. Und immerhin vier Personen gaben am Beginn ihres Kompassjahres an, dass ihnen Kirche als große Arbeitgeber*in zuvor nicht bekannt war.
Im ersten Durchgang des Kompassjahres haben zu Beginn alle Jugendlichen als Berufsinteresse „Gemeindepädagog*in / Diakon*in“ angegeben. Darüber hinaus interessierte sich ein Jugendlicher zusätzlich für Kirchenmusik, fünf für den Beruf „Religionslehrer*in“ und immerhin drei für den Pfarrberuf. Nach dem Kompassjahr gaben acht Personen an, im nächsten Schritt Gemeindepädagogik studieren zu wollen. Die anderen nannten folgende Ziele: Psycholog*in, Lehrer*in, Sozialarbeiter*in, Musiker*in und „irgendwas Soziales oder Mediendesign“.
Eine gute Erfahrung bei Kirche zu ermöglichen ist das eine. Das andere sind die Berufsvorbilder, die Jugendliche während ihres Kompassjahres erleben. Es ist beeindruckend, dass insbesondere die Kolleg*innen im Bereich Gemeindepädagogik so auftreten oder wahrgenommen werden, dass ihr Beruf nach der Erfahrung des Kompassjahres als attraktiv bzw. erstrebenswert angesehen wird. Das gilt für die anderen Berufe bzw. deren Studienausbildung möglicherweise nicht. Darum braucht es einen sorgfältigen Blick auf die anderen kirchlichen Berufsfelder: An welchen Stellen kommen Jugendliche im Kompassjahr gezielt mit Vertreter*innen dieser anderen Berufsfelder in Verbindung? Wie lassen sich dort Kolleg*innen anderer Felder einbinden, die ihren Beruf mit Freude und inspirierend ausleben?
Das Kompassjahr ermöglicht es den Teilnehmenden, gezielt kirchliche Berufsfelder auf ihre Eignung für die eigene Berufswahl in den Blick zu nehmen und zu überprüfen. Die Erfahrungen vor Ort wurden in der begleitenden Seminargruppe reflektiert. Dafür wurden Inhalte gesucht und gefunden, die die Jugendlichen mit Wissen und Erfahrungen bereichern können. Die Seminargruppe wurde dabei angemessen beteiligt. Die Bildungsseminare sind von den Jugendlichen als hilfreich erlebt worden. Hervorgehoben wurde die Gemeinschaft untereinander und die Besuche mehrerer Ausbildungsorte in Westfalen.
„Alles was wir machen müssen, ist Jugendlichen gute Erfahrungen mit Kirche zu ermöglichen“, dabei bleibt es. Der erste Durchgang des Kompassjahres belegt, dass hier ein solcher Erfahrungsraum für Jugendliche entstanden ist, der für ihre berufliche Entscheidung eine gute Grundlage war. Die erfahrenen Inhalte sind in allen Fällen als bereichernd erlebt worden, bis auf zwei Personen planen alle Teilnehmenden, auch nach dem Kompassjahr noch ehrenamtlich in ihrer Einsatzstelle tätig sein zu wollen.