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Kirchen in der Migrationsgesellschaft in Europa - 8. europäisches Symposion von EKvW und Polnischem Ökumenischen Rat

Kirche und Migration

Obwohl alle europäischen Gesellschaften in Ost- und Westeuropa Einwanderung aus demografischen und Arbeitsmarktgründen benötigen, ist Zuwanderung seit Jahren ein Streitthema. Migration ist auch für die Kirchen in Mittel-, West- und Osteuropa ein Thema, das sie spätestens seit 2015 verbindet. Dies zeigte sich auf dem achten europäischen Symposion der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) und Polnischem Ökumenischen Rat.

Vom 6. – 8. November hatte die Ev. Kirche von Westfalen Kirchenvertreterinnen und –vertreter aus Polen, Westfalen, Ungarn und Italien zu Austausch und Begegnung nach Haus Villigst eingeladen. „Ich bin fremd gewesen und ihr habt mich aufgenommen“ - dieses biblische Motto traf auch auf einen Teil der Gruppe zu. Anne Zell, aus Baden stammende, deutsche Theologin, hat ihre berufliche Bestimmung als Waldenserpfarrerin in Norditalien gefunden. Davide Carbonaro, ein polnischer Methodist, stellte sich als Italiener aus der Lombardei vor, der nun in Warschau lebt und arbeitet und in zwei Sprachen und Kulturen zu Hause ist. Izajasz Techane, ein aus Äthiopien stammender evangelischer Christ mit polnischem Pass, arbeitet aktuell für den Polnischen Ökumenischen Rat als Flüchtlingsberater. Dies waren auch personell gute Voraussetzungen für einen intensiven Austausch über Flüchtlinge, Migration und die unterschiedlichen Reaktionen der polnischen, westfälischen, ungarischen und italienischen Kirchen.

Migration in der Bibel

„Warum fand ich Gnade in deinen Augen (…) da ich doch auch eine Ausländerin bin?“ (Ruth2,13). Der Moabiterin Ruth werden im alten Israel – modern gesprochen – volle Bürgerrechte gewährt, auch wenn sie eine Ausländerin ist.
Biblische Geschichten und Erzählungen über Migration standen am ersten Tag im Fokus der Aufmerksamkeit. Dr. Jan Dirk Döhling, Kirchenrat der EKvW machte anschaulich, im Alten Testament wird ganz häufig über das Volks Israel und seine Fluchterfahrungen gesprochen. Es geht um Fremdheitserfahrungen aber auch um selbstbewusste Migranten, die im Exil gestärkt durch ihren Glauben im Dialog stehen mit den Fremdherrschern. Die biblischen Fluchtgeschichten sind nicht nur Geschichten von Leid und Verfolgung, sondern auch Geschichten der Rettung und des Gelingens.

Kirche und Migration als Thema der Hauptvorlage

Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller, Ökumenedezernent der EKvW, sprach über die in wenigen Tagen beginnenden Landessynode. Sie wird sich mit der neuen Hauptvorlage zum Thema Kirche und Migration  befassen. Ihr Titel lautet: „Ich bin fremd gewesen und ihr habt mich aufgenommen“. Dabei geht es auch um einen ganz neuen Weg der Kommunikation des Themas auf der Synode und in die westfälischen Kirchenkreise und Gemeinden. Die neue Hauptvorlage wird im Internet präsent sein. Neben Informationen und Berichten gibt es Filmdarstellungen und Anklickflächen, die die Nutzerinnen und Nutzer interaktiv durch das Thema Kirche und Migration leiten werden und mit Hintergrundwissen versorgen. Damit startet ein einjähriger Diskussionsprozess in Westfalen. Die Erfahrungen und Reaktionen der internationalen, ökumenischen Partner sollen ebenfalls in den Prozess der Beratung mit einfließen, denn internationaler Dialog bereichert ganz konkret die Arbeit unserer Kirche.

Drei Herausforderungen von Migration für die westfälische Kirche identifizierte Annette Muhr-Nelson, Leiterin des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung. Es geht darum, sich als Kirche interkulturell zu öffnen, den interreligiösen Dialog kritisch-konstruktiv zu führen und Position zu beziehen im Gespräch über Flucht und Asyl. Kirche sollte sich für alle sozial Benachteiligten engagieren und das Ehrenamt und diakonisches Handeln an und mit Geflüchteten fördern.

Länderberichte und Modelprojekt

Beunruhigend waren die Länderberichte über die aktuellen, politischen Entwicklungen in Ungarn, Italien, Polen und Deutschland. In Italien wird die Lega Nord zum neuen Sorgenkind der Demokratie. In Triest trat sie auf Demonstrationen Rechtsradikaler auf. Auch ihre propagandistische Jugendarbeit bereitet italienischen Demokraten große Sorgen, berichtete Waldenserpfarrerin Anne Zell. Deutschland sorgt sich um die AfD und ihre Rolle in den unterschiedlichen Länderparlamenten. Ihre fremdenfeindlichen Positionen veranlassten das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages zu einem Auftrittsverbot 2019. Polens Regierung baut das Justizsystem um, seine Unabhängigkeit ist hoch gefährdet. In Ungarn schürt die Orban-Regierung Hass und Antisemitismus und diskriminiert kirchliche Flüchtlingseinrichtungen und NGOs, die humanitäre und soziale Unterstützung für Geflüchtete organisieren. Sie sind von öffentlicher Anfeindung und staatlicher Kriminalisierung bedroht. „Wir können nur sehr still und leise Unterstützung für Geflüchtete in Ungarn organisieren“, betonte Dora Kaniszai, die Leiterin des reformierten Flüchtlingswerkes.

Eine Exkursion zur Dortmunder Lydiagemeinde rundete das Symposion ab. Hier konnten die Teilnehmenden das Modellprojekt „Gemeinsam Kirche sein“ kennenlernen. Pfarrerin Birgit Worms-Nigmann sprach über Gemeindekooperationen und Erfahrungen mit Christinnen und Christen aus Sri Lanka, Kamerun und Südkorea, die von Gästen zu engagierten Mitgliedern der ev. Gemeinde in der Nordstadt wurden.

Am Ende der Tagung äußerte Dr. Giemza, Direktor des Polnischen Ökumenischen Rates den Wunsch, im Rahmen eines EU-Projektes über Ländergrenzen hinweg, den Erfahrungsaustausch der Kirchen mit Migration und Geflüchteten zu organisieren. Die protestantischen und orthodoxen Kirchen in Polen suchen den Dialog und wollen von den Erfahrungen in Deutschland, Ungarn und Italien lernen.

1988 fand das erste Symposion in Polen statt. „So können wir in diesem Jahr dreißigjähriges Jubiläum feiern. Ein Zeichen gewachsener Partnerschaft, die sich mit neuen Themen immer weiterentwickelt hat“ freute sich Pfarrerin Stephanie Lüders, Vorsitzende des Europunterausschusses der EKvW, der die Symposien verantwortet.

Der Polnische Ökumenische Rat ist die Vertretung von sieben protestantischen und orthodoxen Minderheitskirchen in der Republik Polen. Die Waldenserkirche vertritt etwa 25.000 evangelische Christinnen und Christen in Italien. Die ev.-reformierte Kirche in Ungarn ist mit etwa 1,2 Millionen Mitgliedern die größte evangelische Minderheit in der ungarischen Republik. Mit allen Kirchen ist die EKvW seit Jahrzehnten partnerschaftlich verbunden.

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