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Konzert mit Adel Tawil: „Ich bin fremd gewesen“

Information, Unterhaltung, bewegende Geschichten und klare Botschaften

„Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich aufgenommen“ – wenn ein Konzert mit einem beliebten Sänger unter diesem Motto steht, lässt das Ungewöhnliches vermuten. Und ungewöhnlich war die Mischung aus Information, Unterhaltung, bewegenden Geschichten und klaren Botschaften. 15.000 überwiegend junge Zuhörer füllten den Dortmunder Hansaplatz am Samstagabend bei diesem Konzert mit Adel Tawil.

Dass Vielfalt Angst und Vorurteile auslösen kann, kam immer wieder zur Sprache. „Vielfalt ist nicht immer leicht verdaulich, aber wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, dem schmeckt kein Einheitsbrei mehr, erst recht kein brauner“, sagte Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller von der westfälischen Landeskirche, der Initiator des Konzerts.

Präses Dr. h. c. Annette Kurschus betonte: „Über Vielfalt lässt sich leicht reden, wenn alles in Ordnung ist.“ Doch Vielfalt sei auch anstrengend und führe zu Auseinandersetzungen. Aber: „Vielfalt ist ein Markenkern unserer Kirche“, so die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen. Dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist, zeige sich in den Kirchengemeinden, wo Fremde dazukommen: „Es wird lebendiger. Die Angst vor Fremden wächst, wo man keine Begegnung mit ihnen hat.“

Paolo Naso: Barmherziger Samariter wird heute kriminalisiert

Paolo Naso aus Rom ist in seiner Kirche, der italienischen Waldenserkirche, der Motor des Projekts „Mediterranean Hope“, das vom Bund evangelischer Kirchen in Italien und der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio getragen wird: Besonders verletzliche Flüchtlinge wie Kinder, Frauen oder Kranke können über sogenannte humanitäre Korridore sicher und offiziell nach Italien einreisen – ein Modell, das den Schleppern die Geschäftsgrundlage entzieht. Paolo Naso nannte erschreckende Zahlen: 19.000 Menschen sind in den vergangenen fünf Jahren im Mittelmeer ertrunken, allein in den letzten fünf Monaten waren es 500. Er hatte ein Kreuz aus Lampedusa mitgebracht, gefertigt aus dem Holz der Boote, mit denen Flüchtlinge die lebensgefährliche Reise von Afrika nach Europa angetreten haben – „ein Symbol des Todes und des Lebens“. Auch eine Wasserflasche aus den USA hatte er dabei. In solchen Flaschen haben Helfer in der Wüste an der amerikanisch-mexikanischen Grenze Flüchtlingen Wasser gebracht und sie so vor dem Verdursten gerettet – dafür kamen diese Helfer ins Gefängnis, berichtete Naso. „Der barmherzige Samariter, das Urbild vorurteilsloser Menschenliebe, wird heute in den USA und in Italien kriminalisiert.“ Paolo Naso erzählte von dem visionären Plan seiner Kirche, die humanitären Korridore auf ganz Europa auszuweiten.

In Deutschland immerhin gibt es jetzt bereits eine eigene Version: das Projekt „Neustart im Team“, kurz NesT. Dabei, so berichtete Möller, ist das zivilgesellschaftliche Engagement entscheidend. Eine Gruppe von Mentoren kümmert sich um die einzelnen Geflüchteten, denn „Integration gelingt nur mit Solidarität“. Ansprechpartner und Begleitung finden die Mentoren in drei Kontaktstellen, eine davon ist im Institut für Kirche und Gesellschaft der westfälischen Landeskirche in Schwerte-Villigst angesiedelt.

Friedensnobelpreisträger: „Sagt Nein zu allen, die Frauen Gewalt antun!“

Was Dr. Denis Mukwege berichtete, war erschütternd. Der Gynäkologe und Chirurg aus Bukavu/Demokratische Republik Kongo hat für seine Arbeit den diesjährigen Friedensnobelpreis erhalten. Vielen Frauen widerfährt In seinem vom Bürgerkrieg und kriminellen Milizen geplagten Land Grauenhaftes. Sie werden vergewaltigt und zudem noch an den Geschlechtsorganen gefoltert. „Die Verletzungen lassen sich chirurgisch behandeln“, berichtete der Arzt, „aber die seelischen Wunden sind sehr schwer heilbar.“ Von ihren Familien meist verstoßen, erfahren die Frauen über Dr. Mukweges Krankenhaus ganzheitliche Hilfe, so dass sie auch sozial wieder Fuß fassen können.

Der Kongo ist reich an wertvollen und begehrten Bodenschätzen. Ihr Abbau erfolgt oft durch Banden, die Frauen und Kinder zur Arbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen zwingen und misshandeln. Das Mineral Coltan, ein Rohstoff für die Herstellung von Mobiltelefonen, wird oft mit den bloßen Händen ausgegraben und dann von den Bandenchefs mit hohem Gewinn illegal verkauft. Ähnliches gilt für Kobalt, das für Batterien von Elektroautos gebraucht wird. Denis Mukwege hatte zwei Botschaften an das junge Publikum: „Sagt Nein zu allen, die Frauen Gewalt antun!“ Und: Elektromobilität sei wichtig, aber die nötigen Rohstoffe müssten sauber und verantwortungsvoll abgebaut werden: „Richtet diese Forderung an die Konzerne!“

Adel Tawil: „Musik kennt keinen Hass, Musik ist pure Liebe.“

Nach diesem Vorprogramm kam Adel Tawil. „Ich versuche mit meiner Musik Mauern in den Köpfen einzureißen, Mauern aus Angst und Vorurteilen“, sagte er zu Beginn. Deshalb habe er auch keine Sekunde gezögert, als man ihn für diese Veranstaltung anfragte. Er bereute es nicht: „Ist bei so einem Kirchentag immer so eine Stimmung? Dann komm ich wieder.“ Gemeinsam mit dem begeisterten Publikum feierte er die Vielfalt, sang: „Du bist wie ich, nur so schön anders“ und vieles mehr, auch einige Songs aus seiner brandneuen CD – alles entsprechend seinem Bekenntnis: „Musik kennt keinen Hass, Musik ist pure Liebe.“

Nach dem Abendsegen von Präses Annette Kurschus, nach „Der Mond ist aufgegangen“ sangen 15.000 Menschen noch spontan und unisono: „Und bis wir uns wiedersehn, möge Gott seine schützende Hand über dir halten.“

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