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Corona bei Tönnies - Kirchenvertreter fordern: Die Politik muss handeln!

Das „System Billigfleisch“ muss überwunden werden

Der Corona-Ausbruch bei Tönnies, dem größten Fleischkonzern Deutschlands, zeigt, dass das „System Billigfleisch“ überwunden werden muss. Die Politik müsse jetzt handeln, fordern das Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung/MÖWe und das Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW).

Die ersten Opfer des Corona-Ausbruchs und des „Systems Billigfleisch“ sind die Vertragsarbeiter aus Osteuropa, die unter unwürdigen Bedingungen im Schlachthof arbeiten und leben müssen. Kirsten Potz, Regionalpfarrerin des Amtes für MÖWe im Kirchenkreis Gütersloh, fordert: „Das Subunternehmertum und die Ausbeutung der Werksvertragsarbeiter und -arbeiterinnen müssen abgeschafft werden! Wer die Augen vor diesen menschenunwürdigen Arbeits- und Wohnbedingungen nicht verschlossen hat, für den ist es ein Wunder, dass es erst jetzt zu einer Katastrophe gekommen ist, die hoffentlich alle aufrüttelt.“
 
„Auch die Landwirte leiden unter dem Corona-Ausbruch und dem System Billigfleisch. Die niedrigen Preise zwingen sie in eine Fleischproduktion, die vor allem Masse verlangt. Die extrem schwierige Situation, in der nun viele Landwirte wegen der Schließung von Tönnies sind, zeigt, dass wir eine Ernährungswende brauchen mit einer Tierhaltung und Landwirtschaft, die nachhaltiger und damit auch krisenfester ist und der bäuerlichen, familiengestützten Landwirtschaft ein sicheres Einkommen ermöglicht“, sagt  Volker Rotthauwe, Pfarrer für nachhaltige Entwicklung vom Institut für Kirche und Gesellschaft.
 
Francisco Mari, Agrarexperte des Hilfswerkes Brot für die Welt, ergänzt: „Dieses System der Fleischproduktion wird von einer Agrar- und Handelspolitik der Europäischen Union unterstützt, die arme Länder zwingt, deutsches Billigfleisch einzuführen. Das schadet seit Jahren Schweinemästern zum Beispiel in Südafrika oder Côte d’Ivoire.“ In den nächsten Jahren würden auch Millionen kleinbäuerliche Schweinehalter in Vietnam leiden, weil ein geplantes neues Handelsabkommen alle Schutzzölle für EU-Schweinefleisch abschaffen werde. „Zudem sind die niedrigen Exportpreise auch nur möglich, weil für die Fütterung Billig-Soja eingeführt wird und dafür Wälder in Brasilien und Paraguay gerodet werden.“
 
Katja Breyer, Beauftragte für den kirchlichen Entwicklungsdienst der EKvW, fordert, dass die Politik handeln müsse. Der öffentliche und politische Druck biete eine große Chance, aus dem „System Billigfleisch“ auszusteigen und zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zu kommen. „Dafür sind Gesetze notwendig, die der Ausbeutung der Arbeiter und Arbeiterinnen in Schlachthöfen endlich einen Riegel vorschieben. Es braucht eine Agrarpolitik in der EU und Deutschland, die es Landwirten ermöglicht, nachhaltig Landwirtschaft zu betreiben und eine Handelspolitik, die Bauern in Entwicklungsländern nicht in den Ruin treibt. Ein entsprechendes Gesetz muss deutsche Unternehmen verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards auch entlang ihrer weltweiten Lieferketten zu achten.“
 
Auch die westfälische Präses Annette Kurschus hält eine neue gesellschaftliche Debatte über das Konsum-verhalten sowie Dumpingpreise und Dumpinglöhne in der Fleischindustrie für nötig. Mehr dazu hier.

 

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Datum: 22.06.2020