Unsere aktuellen Nachrichten
auf einen Blick
Evangelische Kirche von Westfalen stellt Positionspapier vor

Assistierter Suizid als ethischer Grenzfall

Im Zuge der Debatte um die Bewertung des assistierten Suizids hat die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) ein Positionspapier vorgelegt. Darin bewertet sie die persönliche Gewissensentscheidung zum assistierten Suizid aus ethischer Sicht als Grenzfall, der eintrete, wenn alles Menschenmögliche an Zuwendung, Sorge und freien Entfaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft sei. Besonderen Wert legt die EKvW dabei auf eine intensivere Suizidprävention.

Die Präses der EKvW, Annette Kurschus, die auch Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, nannte den Text einen „wegweisenden Beitrag, der sowohl in der öffentlichen Debatte unserer Gesellschaft als auch innerhalb von Kirche und Diakonie zur grundlegenden Orientierung helfen kann.“ Ethische und rechtliche Fragen nach Selbstbestimmung und Freiheit einerseits, der Unverfügbarkeit des Lebens und dem Lebensschutz andererseits ständen bei der Formulierung von Orientierungen zu diesem Grenzfall auf dem Spiel, heißt es in der Einleitung des Textes, den der Ständige Theologische Ausschuss der westfälischen Landeskirche entwickelt hat.

Schon auf ihrer zurückliegenden Frühjahrstagung, Ende Mai dieses Jahres, hatte die Landessynode der EKvW einen Beschluss gefasst, der von dem Ausschuss vorbereitet worden war. Besondere Aktualität gewinnt die kirchliche Stellungnahme im Vorfeld der für den 7. Juli geplanten Bundestagsdebatte über das Thema.

Bei einer bevorstehenden gesetzlichen Neuregelung, so das Positionspapier, sei dafür Sorge zu tragen, dass „besonders gefahrenträchtige Erscheinungsformen der Suizidbeihilfe“ auch in Zukunft strafrechtlich verfolgt werden könnten. Darunter fielen solche Formen der Suizidbeihilfe, die aus reinem Gewinnstreben auf anstößige oder anpreisende Art für ihre Dienste werben und „damit auf die autonome Willensentscheidung der Suizidwilligen Einfluss zu nehmen“ suchten. Auch eine Haltung, die das Leid aus dem Leben ausklammere und das menschliche Leben rein utilitaristisch kalkuliere, widerspreche sowohl dem biblischen Menschenbild als auch dem grundgesetzlich verpflichtenden Schutz des Lebens.

Auszugehen sei von einem unbedingten Lebensrecht, das auch durch Krankheit, Alter oder Behinderung nicht aufgehoben werden könne, heißt es in der Stellungnahme der westfälischen Kirche. So bedürfe eine gesetzliche Neuregelung des assistierten Suizids nach Auffassung der EKvW in jedem Fall „der Einbettung in eine wirksame Suizidprävention und in einen umfassenden Ausbau der palliativen Versorgung von Menschen in der Sterbephase.“

Allerdings könne kein Mensch, der trotz aller fürsorgenden Begleitung durch andere Menschen keine Kraft und Zuversicht mehr habe, gegen seinen Willen zum Leben gezwungen werden, heißt es in dem Papier weiter. Zur Freiheit und unbedingt verliehenen Würde des Menschen zähle auch, sein Leben und Sterben selbst zu bewerten. Dies stehe allerdings nur der einzelnen Person selbst zu. Eine „Normalisierung“ des assistierten Suizids lehnt die EKvW entschieden ab.

Eine „Humanität der Mitmenschlichkeit“, wie sie der Theologe Karl Barth einst postuliert hatte, schaffe in diesem Zusammenhang eine eminente Herausforderung angesichts einer alternden sowie von Einsamkeit und psychischen Krisen stärker als in früheren Zeiten geprägten Gesellschaft. Viele Menschen, die psychische Krisen und auch suizidale Phasen durchlebten, brauchten zeitnah erreichbare Einrichtungen der Krisenintervention und eine entsprechende psychotherapeutische oder psychiatrische Versorgung, postuliert die EKvW. Auch die Kirchen selbst seien hier, vor allem mit ihrer seelsorgerlichen Arbeit, in besonderer Weise gefragt, an gelingenden „caring communities“ mitzuwirken.

Zurück