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Christinnen und Christen aus Westfalen und den USA diskutieren soziale Fragen

Armut und Rassismus sind bösartige Geschwüre

Deutschland und die USA sind beide reiche Länder. Dennoch leben viele Menschen hier und da in Armut. Immer noch und immer wieder werden Menschen ausgegrenzt und diskriminiert. Rassismus und Populismus werden zu einem immer größeren Problem in beiden Gesellschaften.

Über Gegenmaßnahmen sowie Rolle und Haltung ihrer Kirchen dazu haben sich evangelische Christinnen und Christen beider Länder bei ihrem jährlichen Treffen in Schwerte-Villigst ausgetauscht. „Unerhört!“ lautete das Motto beim UCC-Forum, an dem diesmal rund 50 Männer und Frauen aus der Evangelischen Kirche in Westfalen sowie 20 Gäste aus der US-amerikanischen Partnerkirche United Church of Christ (UCC) teilnahmen.

In den nächsten Tagen (bis zum 16. September) werden die Besucher aus den USA in Gastfamilien leben und mehrere westfälische Orte besuchen, darunter die westfälische Friedensstadt Münster, das Freilichtmuseum Detmold oder ein Abenteuerdorf in Wittgenstein.

Eine Ursache für Armut sind „billige Jobs“, sagt Pfarrer John Krueger. Davon könnten viele Familien nicht leben. Die Mindestlöhne hingegen würden oft nicht gezahlt. Sie schwankten allerdings stark. In Indiana beispielweise liege der Mindestlohn bei 7,40 US-Dollar, für Kalifornien forderten die Demokraten das Doppelte. In den USA gebe es zwar soziale Projekte und Einrichtungen, diese seien allerdings oft wenig bekannt und reichten auch nicht aus. Das soziale Netz in Deutschland sei umfassender und stabiler, in den USA jedoch so nicht umsetzbar, meint Krueger.  

Beeindruckt zeigte sich das UCC-Mitglied vom Modell der Vesper-Kirchen, die vor allem in Süddeutschland während der kalten Wintermonate ihre Tore für Bedürftige und Obdachlose öffnen. Krueger berichtete von einer Suppenküche in seiner Stadt Indianapolis, die es ganzjährig jeden dritten Donnerstag im Monat gibt. „Es kommen dann rund 90 Menschen, die ein kostenloses Abendessen bekommen.“ Zwei Drittel von ihnen seien arm, die anderen seien Kirchenmitglieder, die diese Gemeinschaft suchten. Am „Thanksgiving“-Tag (Ende November) kämen dann noch mehr Menschen zusammen.

Für Krueger steht fest, dass die Kirchen arme Menschen mehr unterstützen müssten. Diese Aufgabe sei nicht allein eine Frage des Geldes, sondern es gehe dabei auch um spirituelle Begleitung und menschlichen Zusammenhalt. Auch wünsche er sich, dass Einwanderer offen empfangen werden.

Der Kampf gegen Armut, Rassismus und Populismus beschäftige die Kirchen in Deutschland und USA, sagte die Stuttgarter Diakoniepfarrerin Gabriele Ehrmann. „Armut ist oft verbunden mit dem Ausschluss am gesellschaftlichen Leben“, sagte sie bei der Vorstellung des Modells Vesperkirche. Die neue Leiterin der Vesperkirche in der Leonhardskirche bezeichnete es als eine Art „Zuhause auf Zeit“ für arme Menschen. Als die vier Dimensionen des Projektes nannte sie: Satt werden und genug zu essen bekommen, Teilhabe an der Gesellschaft und am Gesundheitssystem schaffen, Gemeinschaft stiften sowie öffentliche und auch politische Zeichen setzen gegen Armut und Ausgrenzung.

„Vesperkirche ist ein Schmelztiegel ganz unterschiedlicher Menschen. Die Kirche wird zum Gasthaus: Menschen essen miteinander, verbringen gemeinsam Zeit, streiten manchmal miteinander und Gott sitzt mit am Tisch“, so Ehrmann. Die Vesperkirche, die es seit 1995 in Stuttgart gibt, zieht an manchen Tagen rund 600 Menschen verschiedener Herkunft an. Insgesamt sind von Januar bis März in Baden-Württemberg 33 Vesperkirchen geöffnet.  In Westfalen fand die erste Vesperkirche in diesem Jahr in Gütersloh statt, eine weitere ist für 2020 in Bielefeld geplant.

Bei dem Treffen stellte Reverend Doyle Luckenbaugh eine neue Kampagne vor, die angelehnt ist an eine Bewegung des Bürgerrechtlers Martin Luther King Jr. (1929-1968) von 1967. Sie war für eine radikale Umverteilung der wirtschaftlichen und politischen Macht eingetreten. Dazu sollten arme Menschen aus dem ganzen Land zusammengebracht werden. Auch die UCC unterstützte das Anliegen.

In den vergangenen 50 Jahren hätten sich die Bedingungen für Arme jeglicher Herkunft verschlimmert. Das Bedürfnis nach einer „Poor People Campaign“ sei größer als je zuvor, sagte Luckenbaugh. Dabei gehe es nicht um eine politische Agenda. „Es geht darum, die Seele Amerikas zu retten, indem wir diese bösartigen Geschwüre bekämpfen, die so tief in unserer Gesellschaft verwurzelt sind: Institutioneller Rassismus, Armut, die unsere Wirtschaftsleistung in den Schatten stellt, Umweltzerstörung und unsere verzerrte nationale Moralvorstellung.“ So habe der zivile Ungehorsam sechs Wochen lang in 25 Staaten und Washington D.C. begonnen (Poor People´s March 2018), der mit einer Massendemonstration am US-Kapitol am 23. Juni endete.

Die United Church of Christ (Vereinigte Kirche Christi) hat rund eine Million Mitglieder und ist aus dem Zusammenschluss mehrerer Einwandererkirchen entstanden, die teils deutsche Wurzeln haben. Die partnerschaftlichen Beziehungen der Kirchenbezirke Indiana/Kentucky und Ohio mit der Evangelischen Kirche von Westfalen bestehen seit mehr als 25 Jahren. Zum Austausch dient auch das sogenannte UCC-Forum, das jährlich im Spätsommer in Haus Villigst stattfindet.

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