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Diakonie, Kirchen und Gewerkschaftsbund in NRW legen Konzept für sozialen Arbeitsmarkt vor

Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren

Trotz guter Konjunktur und vieler Qualifizierungsprogramme sind rund 300.000 Menschen in NRW seit Jahren ohne Job. Ein sozialer Arbeitsmarkt könnte vielen von ihnen wieder Perspektive und Teilhabe geben. Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und den Evangelischen Kirchen in NRW hat die Diakonie RWL jetzt ein Konzept dafür präsentiert.

Schon lange setzt sich die Diakonie RWL mit ihren mehr als 100 Beschäftigungsgesellschaften zwischen Bielefeld und Saarbrücken für einen sozialen Arbeitsmarkt ein, der langzeitarbeitslosen Menschen eine dauerhafte öffentlich geförderte Beschäftigung bietet. In NRW gibt es seit 2013 Projekte und Landesprogramme, doch alle sind zeitlich auf zwei Jahre befristet.

Jetzt macht die Diakonie RWL bei der neuen Landesregierung Druck, dauerhaft einen sozialen Arbeitsmarkt zu etablieren. Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund in NRW sowie der rheinischen und westfälischen Kirche hat sie jetzt ein Konzept dazu vorgelegt. Es wurde heute im Düsseldorfer Landtag vorgestellt.

Sozialversichert, tariflich bezahlt und unbefristet

»Wichtig ist uns, dass die Stellen auf diesem sozialen Arbeitsmarkt sozialversichert, tariflich bezahlt und unbefristet sind. Das Angebot sollte zudem freiwillig sein und Qualifizierungs- und Coachingangebote enthalten«, betonten der Vorsitzende des DGB NRW, Andreas Meyer-Lauber und Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann vor Journalisten im Landtag. Die Erfahrungen, die Beschäftigungsgesellschaften mit den bisherigen Modellprojekten in NRW gemacht haben, waren durchweg positiv. Sie hatten nur einen Haken: die Befristung.

Im Durchschnitt fand nur etwa ein Drittel der geförderten Arbeitnehmer direkt nach Ende des Projekts einen Job. »Einem weiteren Drittel könnte das gelingen, wenn diese Teilnehmer länger gefördert würden, und ein Drittel der Teilnehmer wird voraussichtlich einen langfristigen Lohnzuschuss benötigen«, so die Arbeitsexpertin der Diakonie RWL, Ina Heythausen.

Geld vom Bund für neues Finanzierungsmodell

Diakonie, Kirchen und DGB gehen davon aus, dass mindestens 90.000 langzeitarbeitslose Menschen in NRW für eine öffentlich geförderte Beschäftigung in Frage kommen. In den bisher bewilligten Projekten wurden fast 2.000 Arbeitsplätze in gemeinnützigen und öffentlichen Betrieben geschaffen. Es müssten also deutlich mehr werden.

»Da dies allein aus Landesmitteln kaum zu stemmen ist, erwarten wir von der neuen Landesregierung, dass sie sich in Berlin für einen Passiv-Aktiv-Transfer einsetzt. Gelder, die den Langzeitarbeitslosen ohnehin über Hartz IV zur Verfügung stehen, sollten in den sozialen Arbeitsmarkt einfließen«, sagte Meyer-Lauber.

Und welche Jobs soll es auf diesem neuen sozialen Arbeitsmarkt geben? Die 93 diakonischen Beschäftigungsgesellschaften in NRW haben dazu schon viele gute Ideen im Rahmen der Öffentlich geförderten Beschäftigung entwickelt.

Würde und Perspektive durch Arbeit

Bei der NEUE ARBEIT Essen etwa bereiten die langzeitarbeitslosen Teilnehmer in der Großküche Essen für Kitas und Schulen zu oder restaurieren alte Autos der Hersteller CITRÖEN und PEUGEOT und machen aus ihnen begehrte Oldtimer. Sie stellen junge Designer-Produkte her, die über einen Onlineshop verkauft werden. Bei der renatec sind die Teilnehmer als Maler, Hausmeister und Handwerkerhelfer für eine Wohnungsbaugesellschaft und die Diakonie im Einsatz oder sie arbeiten im Garten- und Landschaftsbau – wie z. B. Mike Schmidt.

Der heute 51-jährige Handwerker konnte nach einem schweren Unfall seinen Beruf als Dachdecker nicht mehr ausüben. Mike Schmidt schrieb zahllose Bewerbungen, und nahm an Bewerbungstrainings, Computerkursen und Beschäftigungsmaßnahmen teil, die das Jobcenter vermittelte. Doch einen neuen Job fand er nicht. Als Mike Schmidt vom Projekt »öffentlich geförderte Beschäftigung« hörte, das langzeitarbeitslosen Menschen für zwei Jahre einen sozialversicherungspflichtigen Job mit Unterstützung einer Beschäftigungsgesellschaft gibt, klemmte er sich dahinter. Mit Erfolg. Die renatec in Düsseldorf nahm ihn in das Programm auf. Seit knapp zwei Jahren arbeitet er nun im Garten- und Landschaftsbau. »Ich bin richtig aufgeblüht«, sagt er. »Ich verdiene mein eigenes Geld, bin an der frischen Luft, die Arbeit macht Spaß und die Kollegen sind nett.«

Nun hofft er, dass er Ende Juli, wenn die öffentlich geförderte Beschäftigung für ihn endet, einen Job bei einem Düsseldorfer Unternehmen findet. Die Chancen stehen nicht schlecht. Aber mit 51 Jahren zählt Mike Schmidt zur Gruppe der älteren Arbeitnehmer, die schwer vermittelbar sind. Er hat Angst, dass er wieder in die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Könnte er noch länger im Projekt bleiben – vielleicht sogar unbefristet – wäre das für ihn »wie ein Sechser im Lotto«, betont er.

Würde und Perspektive

Finanziert werden die Projekte der "öffentlich geförderten Beschäftigung" vom Land NRW, dem Europäischen Sozialfonds und dem Jobcenter.

»Die Arbeit gibt den Menschen Würde und Perspektive zurück«, betonte Christian Heine-Göttelmann. »Das Recht auf Arbeit ist aus christlicher Sicht die Möglichkeit, einer göttlichen Bestimmung zum Menschsein folgen zu können.« Mike Schmidt drückt es einfacher aus: »Ich bin selbstbewusster geworden. Und so werde ich jetzt auch in Bewerbungen auftreten.«

Text und Fotos: Sabine Damaschke

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