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Bund evangelischer Religionslehrerinnen und -lehrer an den Gymnasien und Gesamtschulen tagte in Schwerte

Vater, Mutter, Kind? – Familie im Wandel

Zeitgleich mit der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) hat sich der Bund evangelischer Religionslehrerinnen und -lehrer an den Gymnasien und Gesamtschulen in Westfalen und Lippe ebenfalls mit dem Thema »Familie« beschäftigt.

Den  Schwerpunktvortrag der Tagung, die im Pädagogischen Institut der EKvW (Schwerte-Villigst) stattfand, hielt Professor Jürgen Ebach. Sein Thema: »Biblische Erinnerungen zum Thema ›Familie‹«. Ebach machte deutlich, dass die bürgerliche Kleinfamilie, wie sie sich im 18. und 19. Jahrhundert etabliert habe, biblisch nicht zu legitimieren sei.

Allein die Vorstellung einer Liebesheirat sei unbiblisch, so der Alttestamentler. Nicht in der Paradiesgeschichte sei zum ersten Mal von Liebe die Rede, sondern in der Abrahamsgeschichte (1. Mose 22,2): Abraham erhält von Gott den Auftrag, seinen einzigen Sohn, »den, den du liebst, den Isaak« zu opfern.  Zum zweiten Mal komme das Wort »lieben« in Zusammenhang mit Isaak vor: »Er nahm Rebekkaa und sie wurde seine Frau, und er gewann sie lieb. Und Isaak tröstete sich nach dem Tod seiner Mutter.« (1. Mose 24,67)

In dem Satz »Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden« (Markus 10,9) gehe es Jesus nicht so sehr um den Erhalt der Ehe als vielmehr um die Versorgung der geschiedenen Frau, sagte Ebach. Paulus lehne die Ehe ab (1. Korinther 7,1) oder sehe sie als eine Möglichkeit, sexuelle Bedürfnisse zu kanalisieren (1. Korinther 7,9).

Patchworkfamilien, Samenspender und Leihmütter hätten biblische »Vor-Bilder«: Als Sara kinderlos bleibt, fordert sie nach biblischer Überlieferung Abraham auf, mit ihrer Magd Hagar ein Kind zu zeugen, was dieser auch tut. Und in Jakobs Familie gibt es Kinder von vier Frauen: von Rahel und Lea und von ihren Mägden Bilha und Silpa. Und auch Mose hat gewissermaßen zwei Mütter – die leibliche, hebräische, und die ägyptische Pharaonentochter, die ihn großzieht.

Jesus selbst sei geradezu »familienfeindlich«. Die, die ihm nachfolgen, sind seine wahre Familie (Markus 3, 31-35). Als er Johannes und seine Mutter unter dem Kreuz entdeckt, sagt er zu  seiner Mutter: »Frau, siehe, dein Sohn« und zu Johannes: »Siehe, deine Mutter« (Johannes 19,26), womit er die biologische Familienbindung aufhebe.

Laut Ebach tauge die Bibel nicht als Norm für eine bestimmte Lebensform, auch nicht als Norm für eine bestimmte Moral. Die Bibel erzähle facettenreich von gelungenen und gescheiterten Beziehungen und ermutige zu ungewohnten Lebensentwürfen.

Dass die Bibel im Hinblick auf Familienfragen dennoch Orientierung geben könne, zeigte Jürgen Ebach am Beispiel des alttestamentlichen Begriffes der (zedakah). So gehe es etwa um den besonderen Schutz der Witwen und Waisen, der Fremden und Alten. »Du sollst Vater und Mutter ehren« (1. Mose 20,12) sei kein Appell an die Kinder, ihre Eltern respektvoll zu behandeln. Angeredet würden erwachsene Männer, die ihre alten Eltern »ehren«, versorgen und damit versuchen, den Generationenvertrag zu erfüllen.

Verschiedene Workshops gaben den Lehrerinnen und Lehrern Gelegenheit, das
Vorgetragene exemplarisch zu vertiefen und dazu unterrichtliche
Perspektiven zu entwickeln. Darüber hinaus gab Dr. Remi Stork (Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe) einen Überblick über die Entstehung der Hauptvorlage und zu einzelnen thematischen Schwerpunkten, darunter der Wandel der Familienformen in den vergangenen zehn Jahren.

Silke Güttlich und Thomas Dreessen vom Amt für Jugendarbeit der EKvW beschrieben die Lebenswelten heutiger Jugendlicher und äußerten sich zu der Frage, wie Kirche und Schule auf veränderte und plurale Lebenswelten reagieren könnten. (Ute Hiddemann)

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