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Netzwerktag Fresh X in Witten

Seelenstriptease im Nagelstudio

»Und was ist dein Problem?« Mit dieser Frage von Michaela geht es meistens los. Und wenn ihr Gegenüber von dem erzählt hat, was gerade schwer ist und belastet, kommt Pastor Björn Völkers (Oldenburg) ins Spiel und liefert einen Impuls von maximal sechs Sekunden ab. Eine Dauer, die selbst gewieften Rundfunkleuten die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Und dann wird geredet. Weder im Beichtstuhl noch in einer Kirche sondern mitten im Tattoo-Studio.

Einmal im Monat bietet das Duo Gespräche über Lebens- und Glaubensfragen an. Dort, wo Michaela Tag für Tag Sprüche und Motive unter die Haut sticht. Und wo manchmal sogar der Glaube an den lebendigen Gott unter die Haut geht.

»Ein Herz für die Menschen haben, die keine Kirche besuchen und kein Gemeindehaus betreten« - das ist der innere Antrieb von Björn. Ein Typ mit Chucks, Hoodie und reichlich Metall in den Ohren. Einer, den man automatisch duzt. Beim westfälischen Netzwerktag »Fresh X« in Witten erzählt er seine Geschichte vor gut 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Bei Mineralwasser und Salzstangen

Er will den Menschen, die ins Tattoo-Studio kommen und ihre Probleme mitbringen, helfen. Das ist seine Vision. Bei Mineralwasser und Salzstangen können Menschen Kirche einmal ganz anders erleben. Nämlich in ihrem gewohnten Umfeld und auf Augenhöhe.

Das will auch Damaris Binder aus Stuttgart. Vor drei Jahren hat die Diakonin und Jugendreferentin deshalb ein Nagelstudio aufgemacht, in dem es mehr gibt als verlängerte, lackierte oder sauber gefeilte Nägel. Feinschliff für die Seele nämlich. Trost und Zuversicht zum Mitnehmen.

Das Nagelstudio ist dafür der perfekte Ort, so Binder, weil dort ohnehin mit viel körperlicher Nähe praktiziert werde und die Kundinnen von sich aus oft sehr Persönliches ansprächen: »Vom schlechten Sex bis zu missratenen Kindern«. Seelenstriptease im Nagelstudio: von dort sei es nur noch ein kleiner Schritt bis zu und spirituellen Themen.

Die Kundinnen kämen laut Binder oft mit großer Not, aber ohne Ansprechpartner. Und sie brächten eine große geistliche Offenheit und viele Fragen mit. Ideales Terrain für eine »Fresh X«, eine neue Form von Gemeinde.

»Unterwegs zu neuen Ufern»

Davon wurden im Laufe des Netzwerktages fünf weitere vorgestellt: die Gute Stube (Lüdenscheid), der Frei:Raum (Siegen), die Gemeinde Creative Kirche (Witten), die Simeons Herberge (Minden) und der ZeitRaum (Witten). Sie alle sind »unterwegs zu neuen Ufern. Mit festem Ziel aber ohne Karte«, wie Friedrich Kasten (Minden) bei der Begrüßung betont. Ziel sei es, »Menschen mit der besten Botschaft der Welt zu erreichen«.

Damit dies gelingt, braucht Fresh X Ermöglicher. Menschen, die bereit sind, volles Risiko zu gehen und eine Niederlage in Kauf zu nehmen, waren sich die Anwesenden einig. Und es braucht Wissen um Finanzen und rechtliche Aspekte, das Pfarrer Hansjörg Federmann (Fundraising-Experte der EKvW) und Oberkirchenrat Dr. Hans-Tjabert Conring nachmittags an die Anwesenden weitergaben.

»Aber, wer weiß«, so Dirk Gellesch, Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, »Es könnte ja sein, dass Gott sagt, Visionen sind erwünscht!« So machte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Netzwerktages »Fresh X« Mut, Neues auszuprobieren und neue Wege zu wagen. Gellesch: »Gott nimmt unser Leben in die Hand und kann etwas daraus machen. Vielleicht macht er etwas ganz anderes draus, woran wir noch gar nicht denken. Aber er macht was draus!«

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