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Ev. Akademie Villigst: Präses Annette Kurschus zu Gast / Kirche und Rechtspopulismus

Mit dem Evangelium gegen rechte Parolen

Wenn es um rechtspopulistische Stimmungsmache und die Instrumentalisierung des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT) geht, gibt es für Präses Annette Kurschus eine „klare rote Linie“: „Niemand wird aufgrund seiner Parteizugehörigkeit ausgeladen. Aber: Wer sich menschenverachtend und ausgrenzend äußert oder verhält, bekommt auf dem Kirchentag kein großes Podium, keine offene Bühne.“ Das sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) auf der Tagung „Konflikt und Diskurs. Zum Umgang der evangelischen Kirche mit rechtspopulistischen Strömungen“, die am 28./29. September auf Einladung der Ev. Akademie Villigst in Haus Villigst (Schwerte) stattfand.

Hintergrund der deutlichen Worte ist der kürzlich vom DEKT-Präsidium gefasste und zurzeit viel diskutierte „Doppelbeschluss“, der zum einen ausdrücklich betont, dass alle, die sich in den gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatten nicht wiederfinden und darum mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) sympathisieren oder diese gar wählen, zum Kirchentag 2019 nach Dortmund eingeladen sind. Zum anderen macht er aber auch klar: Wegen der offenen Nähe der Partei zu rechtsextremen Positionen und Kreisen wird die Mitwirkung von Politikerinnen und Politikern der AfD auf Podien und in Vorträgen ausgeschlossen.

Für Kurschus ist die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus „eine der zentralen Aufgaben, die uns die Gegenwart stellt“. Und dabei gehe es sowohl um die Herausforderung des Rechtspopulismus für als auch durch die Kirche. Dass Kirche ihre Stimme erheben müsse „gegen nationalistische und rechtsnationale Vergiftung des politischen und gesellschaftlichen Klimas“, davon  ist sie überzeugt: „Dies muss sie tun, wenn die Kirche ihrem Auftrag und ihrem Wesen treu bleiben will.“ Und das tut sie auch. Oftmals fern des Rampenlichts – aber konsequent und effektiv.

Beispielhaft nannte die Präses das Projekt „Engagiert in Vielfalt“. Initiiert und verantwortet von landeskirchlichen „Institut für Kirche und Gesellschaft“ (IKG) in Villigst und gefördert vom Integrationsministerium des Landes NRW hat es sich die „Wahrnehmung und Stärkung ehrenamtlicher Arbeit mit Geflüchteten in Stadt und Land“ auf die Fahnen geschrieben. „Auch und gerade durch solche Projekte kann die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus besonders wirksam geführt werden.“ Zwar ersetzten sie nicht den intellektuellen gedanklichen Diskurs, doch widmeten sie sich den konkreten Fragen des Zusammenlebens und der sozialen Gerechtigkeit. Mit „großer Leidenschaft, mit Sorgfalt und Klugheit, mit Expertise und echtem Erfolg“.

Die kommunikative Herausforderung Provokationen, Vorwürfe, verbale Entgleisungen, nicht verstehen wollen und manchmal auch nicht verstehen können – der Umgang mit rechtspopulistischen Strömungen ist und bleibt für die Kirche eine kommunikative Herausforderung. „Da ist zum einen – das wird man doch wohl noch sagen dürfen! – das perfide Wechselspiel von gezielter Provokation und nachträglicher partieller Relativierung. Entweder erreicht man damit eine schleichende, hier und da auch galoppierende Verschiebung der Grenzen des Sagbaren – etwa im Blick auf den Holocaust, auf die Menschenwürde von Migranten, Jüdinnen und Juden, Homosexuellen und Frauen“, zeigt Kurschus das Dilemma auf. „Oder aber man gewinnt im Falle der Ächtung die Bestätigung des eigenen Opferstatus – weil man ja wieder einmal vom Kartell der Gutmenschen und der politisch Korrekten an der freien Meinungsäußerung gehindert werde. Im Idealfall erreicht man sogar beides. In jedem Falle wird das eigene Klientel mobilisiert, und man erhält jede Menge allgemeine Aufmerksamkeit.“

Ein Problem sei auch „die Unfähigkeit oder Unlust, sich auf tatsächliche Sach- und Fachauseinandersetzungen überhaupt einzulassen“: Sie führe zu einer Vereinfachung von Tatsachen, die bis hin zu Lüge und Verleumdung reiche. Der rechte Populismus, der mit einer Rhetorik des gestohlenen Volkes operiere, inszeniere mit dem infamen Ruf Wir sind das Volk! – in dem ja auch stets ein lautes Und ihr nicht! mitdröhne – seine klare Aus- und Abgrenzung: Gegen die Anderen, gegen die Geflüchteten, gegen Ausländer, gegen Juden. Genau darin, warnt Kurschus, unterscheide er sich von „manch gängiger populistischen Simplifizierung und Delegitimierung, wie sie im politischen Geschäft durchaus auch andere Parteien nutzen“. Und eben darum erfordere er – „obwohl und gerade weil sich die Kirche sonst im demokratischen Diskurs direkter parteipolitischer Interventionen enthält – eine klare und eindeutige Position“.

In einer Spirale permanenter politischer Mobilisierung, öffentlicher Rüpeleien und gezielten Beleidigtseins gelte es „zu erproben und zu beweisen und einzuüben, dass Klarheit und Gesprächsfähigkeit keine Widersprüche sind oder jedenfalls nicht bleiben müssen.” Ihr Fazit: Die Auseinandersetzung dürfe im Umgang mit populistischen Positionen nicht gescheut und der Sprache der Ausgrenzung müsse eine Praxis des Dialogs entgegengesetzt werden.

Die theologisch-geistige Herausforderung

Der Berliner Bischof Markus Dröge hat einmal auf die Frage, was die Kirche dem Rechtspopulismus entgegenzusetzen habe, geantwortet: „Das Evangelium.“ Eine für die westfälische Präses Annette Kurschus eine „ebenso schlichte wie berückende, ebenso anspruchsvolle wie befreiende Antwort. Das gelte es durchzubuchstabieren. Nach innen wie nach außen zu betonen. „Gerade deshalb, weil auch die neuen Rechten das Christentum, das christliche Abendland und die so genannte jüdisch-christliche Tradition für sich entdeckt haben. Und sie – ganz ähnlich wie den Begriff des Volkes – für sich zu okkupieren trachten.“

Solch einer Instrumentalisierung des Glaubens gelte es mit den Erkenntnissen aus Kirchenkampf und Theologie nach Auschwitz klar zu widersprechen. Erstens dürfe biblisch-theologisch qualifiziert nur vom jüdischen Gottesvolk als Volk die Rede sein. Jede religiöse Überhöhung des je eigenen Volkes führe deshalb auf ihrer Kehrseite unwillkürlich die Leugnung der besonderen und bleibenden Erwählung Israels mit sich. Und zweitens: „Wenn im christologisch-neutestamentlichen Sinne vom Volk Gottes die Rede ist, so meint dies immer und stets die quer zu allen ethnischen und kulturellen Bindungen und Prägungen stehende Gemeinschaft der Glaubenden. Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft wird nur und ausschließlich durch den Glauben und die Taufe definiert.“

Bei aller Liebe und in aller Klarheit sei das auch und gerade gegenüber Christen zu betonen, die sich aufgrund „gewisser scheinbar konservativer Positionen“ in den Fragen von Ehe, Familie und Sexualität von den neuen Rechten angezogen fühlten. Denn es brauche nicht viel, um zu erkennen, dass das, „was unter dem Etikett des Christlichen von neurechten Theoretikern und Politikern verzapft wird” allein an der Überhöhung irdischer Autorität interessiert sei.

Die Botschaft Jesu – „von der wir als Kirche leben und der wir darum auch in den Herausforderungen der Gegenwart verpflichtet sind“ – sei demgegenüber die zuvorkommende Liebe Gottes. „Auch und gerade den Fremden, den Schwachen, den Sündern und sogar den Feinden gegenüber“, ist sich Kurschus sicher: „Die Antwort der Kirchen auf die Herausforderung des Rechtspopulismus wird also in der Orientierung am Evangelium bestehen. Worin denn sonst?!“ (MedienInfo 75/2018)

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