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Hans-Ehrenberg-Preis geht an Wim Wenders

»Eine große Metapher für dieses Land«

Hans Ehrenberg war Jude und Christ, Philosoph und Publizist, er wurde zum Vordenker gegen die Nazis und ihren totalitären Staat. Der protestantische Hans-Ehrenberg-Preis erinnert an den Bochumer Pfarrer. Am 17. September wird der Preis an den Künstler Wim Wenders verliehen, die Laudatio hält der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm.

Wenders, einer der bedeutendsten Filmkünstler der Gegenwart, wird für einen künstlerischen Stil geehrt, »der den Spielraum offen hält für das, was sich dem Zugriff entzieht«, so der Bochumer Superintendent Gerald Hagmann: Die Freiheit des Glaubens, die Hans Ehrenberg gegen den totalitären Staat verteidigt habe, sei immer auch die Freiheit der Kunst, die Freiheit der Kunst immer auch die des Glaubens, so Hagmann weiter, beide seien sie »Indikatoren einer freien Gesellschaft«.

Der Hans-Ehrenberg-Preis wird von der Evangelischen Kirche in Bochum gemeinsam mit der westfälischen Landeskirche an Persönlichkeiten verliehen, »die in öffentlicher Auseinandersetzung protestantische Positionen beziehen«. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem die Politikerin Antje Vollmer, der Publizist Robert Leicht, Altpräses Manfred Kock gemeinsam mit Karl Kardinal Lehmann sowie die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.

Dass mit Wim Wenders nun erstmals ein Künstler geehrt wird, fällt nicht zufällig in das Jahr, in dem die Evangelische Kirche das Reformationsjubiläum begeht: Eine der wesentlichen reformatorischen Überzeugungen ist, dass der einzelne Mensch ein Eigenrecht hat gegenüber Gesellschaft, Staat und eben auch der Kirche, er ist nicht gebunden an das, was ist, sondern wie es sein könnte.

Diese reformatorische Einsicht, sagt der Bochumer Theologieprofessor Traugott Jähnichen, Mitglied der Findungskommission für den Hans-Ehrenberg-Preis, habe »eine kulturprägende Kraft entwickelt, die andauert«: Sie gehöre nicht der Kirche, »sie kommt uns in vielfachen Formen entgegen  -  als kulturelle Schöpfung, als Befragung und Infragestellung, als Suche und öffentlicher Streit um die Wahrheit«.

Nur  -  und diese Frage hat jetzt Wim Wenders aufgeworfen: »Ist ‚Wahrheit‘ nicht gerade im öffentlichen Leben komplett beliebig geworden? In einer Zeit, in der es ein Pendant dazu gibt, die ›alternativen Fakten‹?« Im Interview mit Johann Hinrich Claussen, dem Kulturbeauftragten der EKD, betont Wenders, wie sehr er die Künste  -  Kino und Theater, die Literatur und zeitgenössische Musik  -  »in der Pflicht« sehe, existenzielle Fragen zu stellen und hier besonders »die einfachste, aber auch dringlichste von allen: ›Wie soll man leben‹?«

Derzeit, so Wenders, beweise vor allem die Popular-Musik der Gegenwart »den erstaunlichsten Reichtum an Mut, sich allen Fragen zu stellen«. Das Kino zeige nur »hin und wieder, was es alles kann«, auch Theater und Literatur »drücken sich so gut es geht«, selbst die Kirchen würden großen Fragen meistens ausweichen: »Niemand will den Geruch einer ‚moralischen Anstalt‘ an sich haben. Das ist heute einfach uncool. Obwohl gerade das mehr gebraucht würde als je zuvor.«

Aber können die Künste und Kirchen das überhaupt noch, ethische Orientierung bieten? Es ginge »nur dann, wenn man viel von sich selber investiert«, so Wenders, er sieht die Künste  -  und ebenso die Kirchen  -  vor eine Aufgabe gestellt, die ins Herz des künstlerischen wie religiösen Ausdrucks trifft: die Aufgabe, wahrhaftig zu sein. Wahrhaftigkeit, so Wenders, bezeichne »ein Streben nach etwas Wahrem, den ständigen Versuch, ihm nahe zu kommen. Weil man davon ausgeht, dass es das gibt, ein Wahres.«

Wenders nimmt den Hans-Ehrenberg-Preis am 17. September um 16 Uhr in der Predigtstätte Ehrenbergs, der Christuskirche Bochum am Platz des europäischen Versprechens entgegen. Die Laudatio hält der Ratsvorsitzende der Evangelischen  Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, moderiert das Gespräch zwischen Wenders und Bedford-Strohm, die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, spricht ein geistliches Wort. Der Festakt steht unter dem Thema »Eingewoben in Kunst«, die Teilnahme steht allen am Thema Interessierten offen.

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